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Das Fernsehen in der Turkei

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Academic year: 2021

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Nezih Erdogan

Das Fernsehen in der Tiirkei

Fernsehen gibt es in der Tiirkei erst in neuerer Zeit. wah— rend die Ara des Films und Radios fast gleiehzeitig wie in Europa begann, muBte man aus undurchsichtigen Grijnden

bis 1968 warten, bis die ersten Fernsehsendungen in der

Tfirkei starteten. Es kennte daran liegen, daB man die tech-nischen Voraussetzungen nur langsam schaffen konnte

oder das Fernsehen als ein Ph'anomen ansah, das innerhalb

kurzer Zeit die ganze Gesellschaft beherrschen werde, und

nicht absch'atzen konnte, wie man mit diesem Ph'anomen

fertigwerde. AuBerdem w'are zu kl'aren, warum die Fernseh-sendungen zum damaligen Zeitpunkt nur in Schwarz-weiB ausgestrahlt wurden. All dies folgt — wie wir im folgenden sehen werden — aus den fijr das Fernsehen in der Tijrkei charakteristischen Eigenheiten und aus weiteren merkwiir-digen Vorgangen in den darauffolgenden Jahren.

Um beurteilen zu kennen, ob die Fernsehproduktionen erfolgreieh einen Bezug zum kulturellen Leben herstellen kennen, sollte man auf die junge Geschichte des Fernsehens in der Tijrkei eingehen. Tats'achlich scheint es bei genauerer Betrachtung nicht leicht, ijber die Problematik der aktuellen Lage hinauszugehen; denn es vergeht kein Tag, an dem nicht ein neuer Fernsehkanal starten oder eine Fernsehan-stalt, um sich den rasch wandelnden Bedingungen anzupas-sen, ihre Sendepolitik 'andern kann.

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Nezih Erdog’an

Die ersten offiziellen Fernsehsendungen liefen in Ankara

an. Ich spreche bewuBt von den >>offiziellen<<, denn vor 1968 hatte die Technische Universitat in Istanbul mit Pro-besendungen begonnen. Die Fernsehsendungen sollten aus-schlieBlich in den Handen des TRT (Tfirkisehe Radio— und Fernsehanstalten) liegen, und Initiativen fijr nicht-dffentli-Che Fernsehsender waren daher schon von Beginn an ausge-schlossen. Fernseh- bzw. Radiosendungen und der gesamte Funkverkehr unterliegen laut Verfassung einer strengen

Kontrolle. Im April 1993 wurden Hunderte von Radiosta— tionen mit einem einzigen Federstrich geschlossen, da sie

angeblich verfassungswidrig betrieben wurden. Die priva-ten Fernsehsender seheinen gegenw'artig vor einer Staatsin-tervention bewahrt zu sein, da ihre Programme auBerhalb des tiirkischen Hoheitsgebietes via Satellit ausgestrahlt werden. Dennoch hangt auch iiber ihnen das Damokles-schwert.

In der Tiirkei hatten die Regierungen als Folge staatlicher Traditionen stets das Bediirfnis nach einer strengen Kon-trolle der Medien. Mit gutem Grund ist anzunehmen, daB gerade dieses dazu fiihrte, daB Fernsehen wie Rundfunk unter staatlichem Monopol und unter Regierungsaufsicht in der politischen Hauptstadt Ankara zentralisiert wurden. Be-denkenswerte Indizien hierfiir sind auch die Bilder von Sol-daten zu Beginn und am Ende der taglich ausgestrahlten

Sendungen, die zu den Kl'angen des >>Istik1al Mar§1<< (des

»Unabh'angigkeitsmarsehes«, der tiirkischen

Nationalhym-ne, d.U.) die tijrkische Fahne hissen. Bei jedem

Militar-putsch besetzt man zuerst die Geb'aude der Rundfunk- und Fernsehanstalten. Jeder Regierungswechsel im AnschluB an Wahlen bedeutet auch den Austauseh des Intendanten

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Das Fernsehen in der Tiirkei

oder wenigstens einen Schwenk des Intendanten hin zu der

neuen Regierung. Und die Opposition beklagt sich stets dartiber, daB ihr im Fernsehen nicht geniigend Sendezeit einger'aumt werde. Somit entsteht allm'ahlich der Eindruck, daB die Massenmedien der Politik des jeweiligen Regimes

unterliegen. Die Zensur ist, ob sichtbar oder nicht, ein sehr

wirkungsvoller Mechanismus und spielt eine entscheidende Rolle in den Beziehungen zwischen Zuschauer- bzw. Zuhd-rermassen und Massenmedien.

Das eben Gesagte soll nicht den Eindruck vermitteln, es existiere ein Bruch zwischen den breiten Zuschauermassen und dem Fernsehen oder das Fernsehen kdnne keine echten Zuschauerbediirfnisse erfiillen. Das Fernsehen ist vielmehr in der Tijrkei innerhalb kiirzester Zeit akzeptiert worden. Obgleich es in allen anderen L'andern auf fast 'ahnliche

Wei-se aufgenommen wurde, ist zu beachten, daB es im Detail

bei uns einige spezifische Merkmale besitzt. Das

Karag'o'z-Schattenspiel, eine heute fiberholte Tradition, teilt mit dem

Fernsehen einige technische Eigenschaften wie das Format

des Bildschirms, das Flimmern der Bilder oder den Ein—

druck, Stimmen und Bild k'amen aus dem Apparat selbst. W'ahrend jedoch das Karag'dzspiel vor einer Zuschauermen-ge aufZuschauermen-geftihrt wird, sieht man im Kreise der Familie fern.

Dennoch kennen wir daraus schlieBen, daB die tfirkische

Gesellschaft eher als die anderer Lander fiir das Fernsehen offen war. Ebenso ist denkbar, daB die sp'arlichen Mdglich— keiten, sich zu vergniigen oder kulturell bzw. kiinstlerisch zu bet'atigen, die damals fiberschwappende Welle der »Sex-filme<< in den Kinos oder das Interesse an den Problemen der effentlichen Ordnung, die in der damaligen Schreckens-zeit vor dem 12. September 1980 herrschten, weitere

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Fakto-Nezih Erdogan

ren dafijr waren, in der Zuschauergunst die Alternativen zum Fernsehen zu verdrangen.

Die wenigen Einrichtungen, die im Fernsehen und in den

Massenmedien Bildungsinhalte vermitteln, konnten erst

nach 1975 ihrem Bildungsauftrag nachkommen. Deshalb war der Beitrag des Theaters und der Unterhaltungsbranche wie auch der vom Rundfunk iibernommenen Medienspezia-listen unumganglich. Und auBerdem scheint es von ziem-lich gesundem Menschenverstand zu zeugen, daB man den Schwerpunkt auf innerbetriebliche Ausbildung legte, da de-ren kijnftiger Nutzen konkret sichtbar erschien. Ffir das Fernsehen sprach auch, daB es fiir den Rundfunkh'drer an-ziehend war, einerseits die Personen, deren Stimme er jah— relang im Radio verfolgt hatte, nunmehr auf dem Bild-schirm zu sehen, und daB die groBen Namen der Unterhal-tungs- und Theaterwelt fijr jedermann im Land zug'anglich wurden. Auch wenn die Vorherrschaft amerikanischer Fernsehserien Schatten auf das journalistisehe Ethos warf, errangen einheimische Serien und Produktionen beachtli-ehe Erfolge. Andererseits erdffnete das Fernsbeachtli-ehen fiihren-den Regisseuren des von Krisen geschijttelten tijrkisehen Films neue Produktions— und auch Erzahlmdglichkeiten.

Weiterhin sollte man untersuchen, inwieweit die

unter-schiedlichen Kulturen in der Tijrkei im Fernsehen gebfih-rend vertreten sind. Sowohl die (industriellen bzw.

l'andli-chen) Produktionsformen als auch die ethnischen und reli—

gidsen Unterschiede fiihren zu einem kulturellen Mosaik. Aber weder das TRT noch die Privatsender haben meiner Einschatzung nach zu einem Fernsehjournalismus gefun-den, der diescs Mosaik berijcksichtigt. Das Fernsehen hat recht lange gezdgert, diese Unterschiede zum festen

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Be-Das Fernsehen in der Tilrkei

standteil seines Programms zu machen. W'ahrend das TRT mit einem unzureichenden Streifen fiber das GAP ( Giiney Dogu Anadolu Projesi; dt.: das Siidanatolienprojekt; ge-meint ist das Staudammprojekt in Siidostanatolien, d. U.) in dieser Hinsicht anscheinend einen Schritt nach vorn getan hat, verharren die privaten Fernsehanstalten im allgemeinen in der Haltung, eine einformige Kulturpolitik zu verfolgen. Wer gegenw'artig die allgemeine Lage der Tiirkei

fiber-blickt, kann deutlich erkennen, wie sehr das Land in den

70er Jahren gegenijber dem Ausland isoliert war. Dies kon-nen wir als eine Folge der Beschr'ankungen von Auslands-reisen, der Devisenknappheit, der Tag fijr Tag sich h'aufen-den innenpolitischen Ereignisse und vielleicht auch des da-maligen kulturellen und politischen Verhaltens betrachten. Mit dem Fernsehen wurde diese Isolation erstmals aufge-brochen. Im Vergleieh mit den Mangeln der anderen Mas-senmedien wie der Presse und des Rundfunks stieB das Fernsehen tatsachlich der Tiirkei »das Tor zur We1t« auf. Vor einigen Jahren schrieb ein Sportjournalist, der tiirki— sche FuBballzuschauer habe die Mannschaften gezwungen,

besser zu spielen, denn ihm boten sich inzwischen dadurch,

daB FuBballspiele der ausl'andischen und insbesondere der europaischen Mannschaften im Fernsehen live fibertragen werden, Vergleichsmoglichkeiten. Natiirlich bleiben diese nicht auf den Sport beschr'ankt. Man lernte die europ'aische

Lebensweise, die personlichen und institutionellen

Um-gangsformen in Europa und ebenso die Konsumgewohnhei-ten kennen und schuf damit auch ein NachfragepoKonsumgewohnhei-tential, das mit der in den darauffolgenden Jahren aufblijhenden liberalen Wirtschaftpolitik im Einklang stand. Infolgedes-sen bot das Fernsehen durch seine einheimischen und

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aus-Nezih Erdog’an

l'eindischen Serien der Gesellschaft Identifikationsobjekte an, ja die Stars und Helden der Fernsehserien verwandelten sich in imaginéire Familienmitglieder. Zu den Helden der

Serien wie Kacak (Dr. Kimble auf der Flucht), Dallas und

Hanedan (Dynasty) konnte der Zuschauer keine emotionale Oder persénliche Distanz wahren. Dadurch fanden die Dis-kussionen fiber den Kulturimperialismus erstmals Eingang in unser intellektuelles Leben. Wie bei zahlreichen anderen Neuerungen, so hiillten sich die Intellektuellen angesichts des Fernsehens in skeptisehes Schweigen. Die inzwischen ge'eiuBerten Kritiken betonen, das Fernsehen habe sich dureh die h'ziufige Ubernahme amerikanischer Fernsehpro-duktionen dem Kulturimperialismus unterworfen, die Ver-filmung zumeist >>wertvoller<< und wichtiger literariseher Werke, die man von europ'eiisehen Fernsehanstalten wie der

BBC fibernommen habe, habe das Lesen, vor allem klassi—

scher Werke, gehemmt, w'eihrend die Regierung das TRT schlicht als Propagandawerkzeug angesehen habe. Abgese-hen von der Spur von Wahrheit in diesen Kritiken wurden die Intellektuellen ihrer Aufgabe nicht gerecht, die Rezepti-on der Fernsehzuschauer zu korrigieren und sie zu einer

kritischen Haltung hinzufiihren. Doch wie auf allen anderen

Gebieten, so haben die oppositionellen Intellektuellen ab und zu ihr Schweigen zuungunsten von Entwicklungen

ge-brochen, die ihren Ansichten und somit ihren Intentionen

zuwiderliefen, W'aihrend die Regierung weiterhin wie ge-wohnt Entscheidungen im Namen der Gesellschaft traf, die diese vor sich selbst schijtzen sollten. Eine TRT-Fernsehse—

rie, die Verfilmung des Romans Yorgun Savaggi (dt.: Der

mijde Krieger) von Kemal Tahir durch den Filmregisseur Halit Refig, erregte aufgrund der Denunziation eines

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ange-Das Fernsehen in der TL'irkei

sehenen Kolumnisten die Aufmerksamkeit der damals re-gierenden Milit'arjunta und wurde daraufhin vernichtet. Der

Vorfall, der sich vor zehn J ahren ereignete, hat heute erneut

vor einem ver'anderten Hintergrund, auf dessen Einzelhei-ten wir weiter unEinzelhei-ten noch zu sprechen kommen, an Aktuali-t'at gewonnen. Worauf wir die Aufmerksamkeit lenken wol-len, ist — insbesondere beim Thema Fernsehen -— die gele-gentliche Verschleierung von Aussagen seitens der Regie-rung und der oppositionellen Intellektuellen.

Als staatliche Institution teilt das TRT mit anderen staat-lichen Einrichtungen verschiedene Schattenseiten wie die bijrokratische Struktur und Organisationsform. Probleme, wie sie durch fehlendes Reaktionsvermogen entstehen, bzw. auch Mange] in der Einstellungspraxis konnten kaum fiberwunden werden. AuBerdem verrieten seine

Reaktio-nen, vor allem im Nachrichtenteil und in den Sendungen ijber Kunst und Kultur, das Selbstverstandnis des Fernse— hens, eine offentliche staatliche Einrichtung zu sein. Die

offizielle Ideologie des TRT schuf zugleich auch den offizi-ellen Sprachduktus. Seine Nachrichtensprecher und Mode-ratoren hielten sich selbst lange fijr ein Medium zwischen staatlichen Autorit'aten und Zuschauern. Sie waren fijr den Zuschauer keine Normalpersonen, sondern gleichsam un-mittelbare Staatsdiener. Ein TRT-Reporter konnte w'ahrend eines FuBballspiels in Belgien, als englische Hooligans auf das Spielfeld stromten und die Spieler t'atlich angriffen,

kei-nen Versuch starten, die vor seikei-nen Augen stattfindenden

Ereignisse zu ijbertragen, und begann, ausffihrlich fiber die Leistungen der Spieler beider Mannschaften zu berichten. Man kann auch am Fernsehen als Barometer die Stimmung des Regimes ablesen; ebenso wie man die Namen

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derjeni-Nezih Erdogan

gen Personen, die man wie Nazim Hikmet aus dem

dffentli-Chen Ged'achtnis streichen wollte, nicht erw'ahnte,

verhang-te man gegen als Oppositionelle bekannverhang-te Kiinstler ein Sen-deverbot. Die privaten Fernsehanstalten durchbrachen die-se offizielle Sprachregelung, und es gelang ihnen dadurch, dem TRT immer mehr Zuschauer abzuwerben.

Kurz vor Beginn der 90er Jahre begann offensichtlich eine zweite Fernseh'ara. Trotz des in der Verfassung veran-kerten Sendemonopols des TRT lauteten die von den priva-ten Fernsehanstalpriva-ten auBerhalb des tijrkischen Hoheitsge-bietes via Satellit ausgestrahlten Sendungen ein neues sehzeitalter ein und begannen rasch, dem staatlichen Fern-sehen Zuschauer abzuwerben. Die Legitimation des Pri— vatsenders Magic Box (heute: Inter-Star) lautete, die Aus-strahlungen erfolgten exterritorial und br'achen deshalb nicht das Sendemonopol des TRT. Doch der eigentlich 1e-galisierende Faktor lag darin, daB Inter Star zu einer

be-drohlich starken Alternative wurde, indem er alles, was das

TRT nicht ausstrahlte, sendete. Die Schlijsselbegriffe in den

Werbekampagnen des Privatsenders waren »Zensurfrei-heit« und die »v'dllige Enttabuisierung<<, die dem durch Fernsehmonopol und offiziellen Stil jahrelang entwdhnten Zuschauer vdllig den Kopf verdrehten: freiziigige Filmsze-nen wurde nicht gekijrzt, Moderatoren konnten sich unge-zwungener verhalten und Themen, die das TRT in seinen kijhnsten Traumen nicht anzusprechen wagte, konnten mij-helos auf die Bildschirme gelangen. Dies bedeutete hdhere

Einkiinfte fiir die Privatsender; sie begriffen, daB sie auf

dem richtigen Weg dazu waren, wenn sie ein Interview mit Haydar Kutlu, dem bekanntesten Vertreter der TKP (der Tijrkischen Kommunistischen Partei), h'aufig durch

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Wer-Das Fernsehen in der TL'irkei

bespots unterbraehen. Das Zuschauerinteresse nahm

inner-halb kurzer Zeit so sehr zu, daB die sozialdemokratischen

kommunalen Verwaltungen, die private Fernsehsender prinzipiell ablehnten, die fijr den Fernsehempfang in Haus-halten ndtigen technischen Voraussetzungen wie Parabol-antennen Oder Sender errichten lieBen und sich irgendwie zur ausreichenden Versorgung der Bev'dlkerung verpflich-tet fijhlten. Inzwischen nahmen einige Rath'auser trotz des weiterhin gfiltigen TRT-Sendemonopols einen eigenen Sendebetrieb auf. Die privaten Fernsehanstalten spielten

auch im Kabelfernsehen, das -wiederum die staatliche PTT

(die tiirkische Post- und Fernmeldebehdrde) installierte, ihre Wirtschaftlichkeit und Reaktionsf'ahigkeit voll aus. Zu den Vereinbarungen der Partner in der Koalitionsregierung, die 1991 an die Macht kam, gehdrten die Aufhebung des TRT-Monopols und dementsprechend auch die Legalisie-rung der Privatsender. Doeh die Initiativen fijr die hierfijr erforderlichen Verfassungsanderungen konnten sich bis heute im Kern nicht einigen. Dennoch ist, worauf wir oben

bereits hingewiesen haben, die inzwischen erfolgte

Schlie-Bung privater Rundfunksender, die auch zu diesen privaten Fernsehanstalten gehéren, als Drohgeb'arde einer Regie— rung zu interpretieren, die ihre Machtfiber die Massenme-dien behalten will. Gegenw'artig warten alle Sender darauf, daB man sowohl die Programmplanungen und Zeitabstim-mungen als auch die technischen Standards und die Koordi— nation der Sendungen gemeinsam mit der angestrebten Ver-fassungsreform regelt und >>normalisiert<<.

Inter-Star und alle anderen nachfolgenden Privatsender bauen ihre Programmgestaltung auf der Werbung auf, da sie fast vollst'andig von Werbeeinnahmen abh'angig sind. Es

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Nezih Erdog’an

werden ausschlieBlich Einschaltquoten analysiert und das Programm dementsprechend gestaltet. Man setzt zwar poli-tische Themen auf die Tagesordnung, die das TRT nicht aufzugreifen wagt, und l'aBt alle mdglichen Meinungen von Betroffenen zu, von wem immer sie stammen und wie

»pro-blematiseh<< sie auch immer seien, aber man reduziert den

Anteil der Bildungs- und Kultursendungen mit der Behaup-tung, sie seien nicht attraktiv fiir Werbekunden. Als die

Werbeeinnahmen der Privatsender, deren Zahl rasch wuchs, natijrlich zu sinken begannen, fand man eine zweite

Einnahmequelle: den Zuschauer, der reeht teure Telefonge-sprache (die mit den Ziffern 900 beginnen) fiihrt, um an etlichen Fernsehsendungen teilzunehmen, von Gewinn— spielen bis hin zu >>Musik nach Wunsch<<. Die dabei erziel— ten Einnahmen teilen sich die Sender mit der PTT.

Angesichts dieser Entwicklungen muB das TRT offen-sichtlich seine eigenen Sendestrategien Uberprijfen. Denn zum einen sanken seine Werbeeinnahmen auf ein kaum

nennenswertes Niveau, aber vor allem wijrde das staatliche

Fernsehen seine Zuschauer verlieren und der Staat damit sein Publikum. Somit ging das TRT dazu fiber, die Sende-strategien der Privatsender zu fibernehmen: die Kampag-nien fijr Werbesendungen, die Gewinnspiele via Telefon und eine sichtbare Wandlung des Sendestils. Tats'achlich haben sich die Fronten zwischen TRT und privaten

Fern-sehanstalten, wie sie in den ersten J ahren bestanden, l'angst

gelockert. W'ahrend die Privatsender dureh die Ubernahme

der TRT-Fernsehstars, des technischen Personals und sogar

der TRT-Sendungen dem TRT relativ ahnlich werden,

be-miiht sich das TRT, sich an die privaten Sender anzupassen,

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Das Fernselzen in der TL'irkei

schépft und sich die inzwisehen hinter ihm stehende

Staats-maeht zunutze macht. Als ein privater Fernsehsender es

wagte, die zuvor erw'ahnte, vor zehn Jahren vernichtete Fernsehserie zu senden, trieb auch das TRT in kijrzester

Zeit wieder eine Kopie auf und strahlte sie aus. Das Interes— santeste an dieser »neuen« Gemeinsamkeit zwischen 6f-fentlichen und privaten Sendern ist vielleicht die

Aggressi-vit'at und das Anprangern, was dem Medium Fernsehen an

sich schon innewohnt. Den Begriff Teshircilik (dt. etwa: »bloBstellen« und »sich entblen<< gleichzeitig, d. U.) ver— wenden wir hier in seinen beiden Bedeutungen gleichzeitig: alles und jeden als Ware zu verdinglichen, um den Konsum

anzuheizen, und die, was das Thema Korruption betrifft,

sensibilisierte Cffentliehkeit zu manipulieren. Man l'eiBt je— doch wieder die Mb'glichkeit auBer acht, daB

Fernsehpro-duktionen, die mehr auf einer sensationellen Oberfl'aichlich-keit als auf Fakten beruhen, allm'zihlich diese Sensibilit'ait

aushéhlen kennen. Wiihrend die Gewinnspiele das Verhfilt-nis zwischen Moderatoren und Zuschauern gelegentlich zu

einer wahnhaften Beziehung werden lassen, haben

»wis-senschaftlich-journalistische<< Nachrichten- und Reporta-gesendungen begonnen, sich ganz legal Zutritt zu Privat-wohnungen und -grundstiicken Oder Arbeitsr'aumen zu ver-schaffen, ohne sich vorher anzukfindigen Oder urn Erlaubnis zu fragen. Die versteckte Kamera wurde zu einem unver— zichtbaren Ubermittler versehliisselter kriminalistischer Botschaften. Die Handschrift der »versteckten Kamera<< mit ihrer ungewéhnlichen Kameraeinstellung, Unterbelieh-tung und schlechten Tonqualitfit genijgt, die Person vor der Kamera schuldig erscheinen zu lassen. Ubrigens verbirgt das Fernsehen vor dem Zuschauer geflissentlich die

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Tatsa-Nezih Erdogan

Che, daB infolge der technologischen Entwicklung, die jede Art von Fiktion ermbglicht, Kamera und Mikrofon nicht

mehr als Dokumentationsmittel eingesetzt werden, und ertappt sich dabei selbst auf frischer Tat.

In der Tiirkei kann das Fernsehen, worauf wir anfangs hingewiesen haben, in Zukunft eine andere Gestalt anneh-men. Die privaten Fernsehanstalten dijrften trotz ihres heute verfassungswidrigen Status in naher Zukunft legalisiert werden, da Sie iiber Kapital verftigen und die Zuschauer erfolgreich auf die eigene Seite ziehen. Aber wollen sie tats'achlich einen verfassungsrechtlich gesicherten Status erlangen? Dann miiBten sie ganz verschiedene Verantwort-lichkeiten fibernehmen. Kann das TRT unter dem Wettbe— werbsdruck, ohne sein Niveau noch weiter zu senken (ge-genw'artig leistet es anscheinend noch Widerstand) und zwischenzeitlich einem Populismus zum Opfer zu fallen, einen mediengereehteren und lebendigeren Stil entwickeln? All dies sind Fragen, die nach einer Antwort verlangen, und der Lbsungsschliissel liegt bei den Zuschauern, die die Ur— sache fiir all diese Schlingerbewegungen sind.

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