CUMHURIYET TÜRKİYE’SİNDE HADIS
ÇALIŞMALARI VE ANKARA OKULU
The Hadith Studies in period of the Republic of Turkey and Ankara School
İbrahim USTA*
Özet:
Ankara Okulu ifadesiyle genelde Ankara İlahiyat Fakültesinde görev yapan,
yapmış olan veya okumuş olan ilahiyatçı entelektüeller anlaşılmaktadır. Ankara Okulu
Türkiye ’de gittikçe yayılan, belli bir mezhebe bağlı olmayan, bireyci, demokratik
değerlerle uyumlu, akılcılığa önem veren bir İslam anlayışını temsil etmektedir. Ankara
Okulu klasik Ehli Sünnet yorumlara bağlı olmadan, İslâm’ı anlamaya yaklaşmanın
Türkiye ’de yayılmasında önemli bir rol oynamıştır Bu çalışmada Ankara Okulu ’nun
yaşayan değerlerinden olan Mehmet Sait Hatipoğlu, Hüseyin Atay ve Mehmet Hayri
Kırbaşoğlu ’nun görüşleri çerçevesinde bu ekolün temel ilkeleri hakkında bilgi
verilecektir.
Anahtar Kelimeler: Hadis, Hadis Kritik, Ankara Okulu
Summary
Expression o f Ankara School generally means the theologian intellectuals who
worked or studied or are still working at the Faculty o f Theology in Ankara. School o f
Ankara represents an emphasis o f Islam that is increasingly spreading in Turkey, non-
sectarian, individualist, compatible with democratic values and caring rationality.
Ankara School played an important role in the spread o f approaching understanding o f
İslam being unmindful o f classic Ahl al-Sunnah comments. In this study basic principles
o f this school will be instructed within the scope o f the opinions o f Mehmet Sait
Hatipoğlu, Hüseyin Atay and Mehmet Hayri Kırbaşoğlu.
Keywords: Hadith, Hadith Criticism, Ankara School
Hadith-Studien in der republikanischen Türkei
O b g leich die m it d em Z e rfa ll des O sm an isch e n R eich s n e u g eg rü n d ete tü rk isc h e R e p u b lik p o litisc h als die n a tü rlic h e A n fü h re rin isla m isc h e r L a n d e r
* Yrd. Doç Dr. Bingöl Üniversitesi, Fen Edebiyat Fakültesi, Doğu Dilleri ve Edebiyatı Bölümü. iusta@bingol.edu.tr
an g e se h e n w ird , h a t sie ih re B e z ie h u n g e n zu m u slim isc h e n V ö lk e rn gem âB ih re r an g e e ig n e te n P o litik s u sp e n d ie rt u n d sich u m die A d a p tie ru n g a n E u ro p a b em ü h t. D as am 3. M ârz 1924 ein g efü h rte G e se tz z u r G le ic h sc h a ltu n g des B ild u n g sw e se n s h a t sâm tlic h e B ild u n g sin stitu te an d en S ta at g e b u n d e n . A ls ein e n atü rlich e F o lg e d e r A u fh e b u n g d es ara b isc h e n A lp h a b e ts am 1. N o v e m b e r 1928 u n d des U m stieg s a u f das latein isch e A lp h a b e t sin d isla m isc h e S tu d ien zu m S tillstan d g ek o m m en . D ie A u fh e b u n g u n d A b e rk e n n u n g d e r a rab isch en S prache, d ie so w o h l als d ie S p rach e d e r W isse n sc h a ft, als au c h als B ild u n g ssp ra ch e d ien te, h a t g ew isserm aB en die B ezie h u n g z u r o sm a n isc h - isla m isc h e n K u ltu r so w ie die seit Ja h rh u n d e rte n fo rtla u fe n d e n isla m isc h e n S tu d ien v e rtilg t.1
U m das w a ch sen d e B ed ü rfn is d es V o lk e s an re lig iö se r B ild u n g zu b efried ig en , h a t die n e u g e g rü n d e te tü rk isch e R e p u b lik in V e rb in d u n g m it d e r U n iv e rsitâ t İstan b u l das F ac h b e re ic h fü r R e lig io n sw isse n sc h a fte n u n d das In stitu t fü r İslam isch e W isse n sc h a fte n im F a c h b e re ic h fü r L ite ra tu r d e r U n iv e rsitâ t Istan b u l g eg rü n d et. W â h re n d d ieses Z e itra u m s h a b e n die Im am - G y m n asien die sch u lisch e A u sb ild u n g fo rtg e fü h rt, d o ch w u rd e n diese im a k a d e m isc h e n S c h u lja h r 1 9 31-1932 g esc h lo sse n . N a c h d e r SchlieB ung des F a c h b e re ic h s fü r R e lig io n sw isse n sc h a fte n im J a h r 1933 u n d des In stitu t fü r İslam isch e W isse n sc h a fte n im J a h r 1936 ex istie rte n in d e r T ü rk e i b is zu m Jah re 1949 k ein erlei ö ffen tlic h e K ö rp e rsc h a fte n im B e re ic h isla m isc h e r W isse n sc h a fte n . M it d e r E rö ffn u n g d es F a c h b e re ic h s fü r R e lig io n sw isse n sc h a fte n im J a h r 1949 in A n k a ra k o n n te n die u n te rb ro c h e n e n isla m isc h e n W isse n sc h a fte n ih re A rb e ite n w ied e rau fn eh m en . D ie A n z a h l d e r im S ch u ljah r 1 9 51-1952 w ie d e r e rö ffn ete n Im a m -G y m n a sie n h a t ra san t z u g e n o m m e n , g e fo lg t v o n d e r A k a d e m ie fü r islam isc h e W isse n sc h a fte n in E rz u ru m u n d d em In stitu t fü r H o h e n İslam .
D ie H a d ith -S tu d ie n setzte n in d en e rste n Ja h re n d e r R e p u b lik in F o rm v o n Ü b e rse tz u n g sa rb e ite n ein, w o b e i ab 1950 o rig in ale A b fa ssu n g e n zu stan d e
1 - Studien haben gezeigt, dass zwischen 1876-1928 verfasste Hadith-Werke sich im Allgemeinen auf den Sufismus beziehen und aus Werken wie “ vierzig Hadithe “ zustande kommen. Das heiBt, dass zu dieser Zeit abgefasste Hadith-Bücher nicht original sind und auch im Hinblick auf die Hadith-Lehre unzureichend sind. Siehe; Gürler, Kadir, M odernleşm esi Sürecinde H adis İlm inin G enel D urum u „Die allgemeine Lage der Hadith-Lehre in der türkischen Modernisierung“, İslâmî İlimler Dergisi , Zeitschrift islamischer Wissenschaften, Çorum, 2008, Ausgabe: 2, S. 105-122.
kamen. Hierzu zâhlt vor allem das Werk namens „Die Quellen von al- Buhân“,
verfasst von Fuat Sezgin, der auch in Europa ein bekannter Wissenschaftler ist.
Obgleich die junge türkische Republik sich des laizistischen Systems
angenommen hat, beauftragte sie über das eingefügte Kultusministerium Ahmet
Naim dazu, den Auszug von Murtada az-Zabîdî verfaBten “
S a h ih a l- B u h â rı2“
zu übersetzen und zu erlâutern, um dem türkischen Volke eine Quelle zur
Verfügung zu stellen, mit der es seine Religion in der neuen Sprache lernen
kann. Ahmet Naim konnte lediglich drei Bânder des Werks abarbeiten, das
seitens Kamil Miras vervollstândigt und vom Kultusministerium in den Jahren
1928-1949 in 12 Bândern gedruckt wurde.2
3 4
Der Zeitraum zwischen 1920-1950, der im Hinblick auf die religiöse
Ausbildung als ein Interregnum gedeutet werden kann, umfasst nicht nur
sâmtliche islamische Arbeiten, sondern auch folgende Werke bezüglich
Hadithe: Die Übersetzung des Werks 'Tausendundeine Hadith' seitens Numan
Kurtulmuş im Jahr 1948 sowie die Übersetzung des von Muhyiddın an-
Nawawı4 geschaffenen Werks
“R iy â d a ş -Ş â lih în “seitens Hasan Hüsnü Erdem
im Jahr 1949 wurde in diesem Zeitraum vorgenommen.5 In den 60er Jahren
fanden die Hadith-Studien, wie auch in den vorangegangen Jahren, weiterhin in
Form von Übersetzungen und Erlâuterungen statt. Das von Ahmet Davudoğlu
übersetzte und erlâuterte Werk
“B u lû ğ a l- M a r â m “(1966-1967) und die von
Mehmet Sofuoğlu vorgenommene Übersetzung des
“S a h ih a l-M u s lim “(1967
1970) sind blendende Beispiele hierzu. Von diesen Jahren an traten
verschiedene Werke in diversen Fachrichtungen der Hadith-Lehre heraus, wie
beispielsweise im Bereich Hadith-Regel, Hadith-Geschichte und Hadith-
Literatur, wâhrend eine kritische Einstellung gegen die klassische Hadith-
Auffassung zutage trat. Am Beispiel des M. Sait Hatipoğlu, eines der
Grundbausteine unserer Affâre, stellen seine im Bereich der Hadithe
durchgeführten zwei wertvollen Dozent- und Doktorarbeiten namens „Der
Anbruch der islamischen Kritikauffassung und die Hadith-Kritik“ (1963) und
„Hadith-Beziehung an Hand von politisch-sozialen Hadithen vom Tode des
2 - az-Zabîdî, Tağrid aş-Şarih (Übrs: Ahmet Naim-Kamil Miras) Ankara 1979.
3 - Ünal, Yavuz, C um huriyet Türkiyesi H adis Çalışmaları „“Hadith-Studien in der republikanischen Türkei“, Etüt Verlag, Samsun 1997 S. 13.
4 - geboren in 1233 und gestorben in 1277, war ein frommer sunnitischer Gelehrter der schafiitischen Richtung, der in Damaskus studierte und lehrte.( Heffening, W., Zum Leben und zu den Schriften an-Naw>aw>i's, in: Der İslam, Bd. 22 S. 165-190.)
P ro p h e te n b is zu m E n d e d e r U m a y y a d e n “ (1 9 6 7 ) zw ei ex em p la risch e M u ste r fü r die k ritisc h e H a d ith -A u ffa ssu n g dar. E s w u rd e v e rsu c h t, die in d e r Z e it v o r d e r E rö ffn u n g d e r Im a m -G y m n a sie n , In stitu te fü r H o h e n İslam u n d F ach b e reich e fü r R e lig io n sw isse n sc h a fte n v o n R elig io n sg e le h rte n erm ittelten P ro b lem e a u f d e r G ru n d la g e v o n B ü ch ern , M e rk b lâ tte rn u n d V e rö ffe n tlic h u n g e n a b z u h an d eln . H ie rv o n w u rd e n die B ü c h e r u n d M e rk b lâ tte r e n tw e d e r o ffiz ie ll v o m K u ltu sm in iste riu m o d e r a b e r in o ffizie ll seiten s p riv a te r O rg a n isa tio n e n g ed ru ck t. M it d e r E rö ffn u n g d ie se r S ch u len b eg a n n e n die h ie r b e sc h â ftig e n L e h re r S ch u lb ü c h e r ab z u fassen , die an d iesen S ch u len u n te rric h te t w e rd e n k ö n n en . A ls B eisp iel h ie rz u k ö n n e n die fo lg en d e n W e rk e au fg e z â h lt w erd en : T a y y ib O k iç- K ritik an e in ig e n H a d ith -F ra g e n (1 9 5 9 ), H a d ith -N o tiz e (1 9 6 5 ), H a y re ttin K a ra m a n - H a d ith -R e g e l (1 9 6 5 ), H a d ith -W ü rd e n trâ g e r v o n A li Ö z ek (1 9 6 7 ), T a la t K o ç y iğ it - H a d ith -G e sc h ic h te (1 9 8 1 ), İsm ail L ü tfi Ç ak an - H a d ith -L ite ra tu r (1 9 8 5 ).6
Die Ankara-Schule und die Neuauslegung des Islams
U n te r d e r B e z e ic h n u n g A n k a ra -S c h u le w e rd e n im A llg e m e in e n T h e o lo g e n zu sa m m e n g efasst, die im F ac h b e re ic h R e lig io n sw isse n sc h a fte n in A n k a ra tâ tig sind, d o rt tâ tig w a re n o d e r d o rt a u sg e b ild e t w o rd e n sind. D e r N a m e A n k a ra -S c h u le ist n ic h t selb stern a n n t, so n d ern h a t sie d iesen N a m e n a u fg ru n d d e r R e lig io n sw isse n sc h a fte n A n k a ra so w ie d e r m e iste n s v o m A n k a ra -S c h u le V e rla g g e d ru c k te n B ü c h e r an g e n o m m e n . D ie sich in d e r T ü rk e i stetig au sb reite n d e A n k a ra -S c h u le ist k e in e r R e lig io n sg e m e in sc h a ft v e rb u n d e n u n d v e rtritt ein e islam isc h e A u ffassu n g , die in d iv id u a listisc h e n u n d d em o k ra tisc h en W e rte n e n tsp ric h t u n d d em R atio n alism u s G e w ic h t b eileg t. D ie A n k a ra -S c h u le h a t e in e n groB en B eitrag z u r E rfa ssu n g d es İslam s u n ab h â n g ig v o n k la ssisc h e n A u sle g u n g e n d e r S u n n a -S p e z ia liste n g eleistet. Im g e n a u e n G e g en satz zu d e r B eh au p tu n g , sie erk en n e die H a d ith e n n ic h t an, v e rsu c h t sie u n te r B ezu g n a h m e a u f d en K o ra n , d en P ro p h eten , die E p o ch e des P ro p h e te n sow ie die v ie r N a c h fo lg e r des P ro p h e te n e in leu c h te n d e S ch lü sse zu zieh en . A n d e rs a u sg e d rü ck t, v e rs u c h t sie ih re A n sc h a u u n g d u rc h die U n tersu ch u n g d e r Z e it v o r d e r In stitu tio n a lisie ru n g d e r v ie r su n n itisc h en R e lig io n sg e m e in sc h a fte n u n d 6 *
6- Yavuz Ünal, Cum huriyet Türkiyesi H adis Çalışm aları Üzerine, Hadith-Studien in der republikanischen Türkei, İslami Araştırmalar Dergisi (Die Zeitschrift f ü r islamische Forschungen), Ankara 1997 C.10, Sy.1-2-3-,
O rd en zu b e g rü n d e n .7
N a c h H ü se y in A ta y steh en d rei H in d e rn isse v o r d e r N e u eru n g : E rd ich te te H a d ith e, ein e m an g elh a fte H a d ith -K u ltu r, d ie S u fism u s- u n d O rd e n -K u ltu r sow ie die Im ita tio n d es isla m isc h e n R e c h ts.8 M e h m e t S ait H a tip o ğ lu , ein es d er G ru n d b a u stein e b e z ü g lic h d ieses T h em a s, sagt: „ O h n e u n s e r 1 4 J a h rh u n d e rte a lte s R e lig io n s - u n d K u ltu r e r b e e r n e u t im L ic h te d e s K o r a n s u n d d e r S u n n a d u rc h zu se ih e n , k ö n n e n w ir s ie h e u te u n d in Z u k u n ft a u f k e in e r sic h e r e n G r u n d la g e b e g rü n d e n . W eg en d e r A u ffa ssu n g , d ie Im a m e d e r v e r s c h ie d e n e n R e lig io n s g e m e in s c h a fte n s e ie n m a k e llo s u n d u n k ritisie rb a r, s in d ih re F e h le r J a h r h u n d e r te la n g in d e n B ü c h e rn u n g lü c k lic h e r w e is e b e s te h e n g e b lie b e n .9 “
F ern e n stellte d e r T h eo lo g e H ü se y in A ta y b e i se in e r K ritik an die islam isc h e A u ffa ssu n g fo lg e n d e s ü b e r die N e u e ru n g fest: „
Die
M u s lim e m ü sse n z u n a c h s t e in m a l d ie 1 4 0 0 J a h r e a lte K u ltu r in R e c h e n s c h a ft zieh en , s ic h v o n s e in e m J o c h b e fre ie n u n d ih re F r e ih e it w ie d e r e r la n g e n ; d a n a c h m ü sse n s ie sic h v o n d e n F e s s e ln d e r R e lig io n s in s titu te , d e r G la u b e n s o r d e n u n d d e r r e lig iö s e n G e s e lls c h a fte n lo sre ifie n , in d e m s ie a u s ih re n T e u fe lsk re ise n a u s tr e te n u n d d ie s e h in te r fr a g e n u n d d u r c h d a s A b le g e n d e r P a n z e r ih re F r e ih e it u n d P e r s ö n lic h k e it w ie d e r e r la n g e n . S o lc h e in e r E in s te llu n g w o h n t n ic h t d ie V e ra c h tu n g d e r a lte n K u ltu r inne, s o n d e r n b e d e u te t d ie s d ie Z u rü ck fü h ru n g d ie s e r K u ltu r a u f d e n K o r a n u n d d ie H e r v o r h e b u n g d e s K o r a n s a ls d a s B e w e r tu n g s k r ite r iu m sc h le c h th in b e i d e r N e u v e r h a n d lu n g d ie s e r K u ltu r. D ie in d e r V e r g a n g e n h e it b e g a n g e n e n F e h le r m ü sse n b e to n t w e r d e n u n d z u n a c h s t in d e n K ö p fe n u n d a n s c h lie fie n d in d e r P r a x is b e r ic h tig t w e r d e n .10 11“H ü se y in A ta y sie h t das V e rb o t des a l-M u ta z ila 1 1 d u rc h d ie p o litisch e E n tsc h e id u n g im d ritte n J a h rh u n d e rt des Islam s als ein en w ic h tig e n W e n d e p u n k t an, d e r zu m S tillstan d d e r freien D isk u ssio n sp la ttfo rm in d e r
7- Kırbaşoğlu, M. Hayri, İslam Düşüncesinde Sünnet, Eleştirel bir yaklaşım , “Sunna in der islamischen Überlegung, ein kritischer Ansatz“. Ankara-Schule Verlag. Ankara 1997 S. 147 155.
8- Atay, Hüseyin, K u r ’a n ’a göre Araştırm alar, Untersuchungen gemâB dem Koran, İstanbul 1997. Bd.4 S.35-48.
9 - Hatipoğlu, M. Sait, Kültürel M irasım ızı Tenkit Zarureti , Die Notwendigkeit des Kritiks an unser kulturelles Erbe, Ankara 2009 S. 42-43.
10 - Düzgün, Şaban Ali, K u r ’a n ’a dönüşte öncü b ir isim: H üseyin A tay, Ein Vorreiter beim Rückkehr auf den Kuran: Hüseyin Atay, Zeitschrift demokratische Plattform, Jahr 2. Ausgabe 7, (Artikel) Ankara, 2006 S. 24.
11 - Name der groBen theologischen Schule, welche die spekulative Dogmatik im Islam begründet hat. (Wensinck, A. J., Kramers, J. H., H andwörterbuch des İslam , Leiden 1976 S.542.)
islamischen Welt geführt hat. Atay ist der Ansicht, dass die jüngste Zeit des
Islams, in der die Menschen ihre Entscheidungen im eigenen Namen treffen
konnten und es keine Religionsgemeinschaften gab, im Vergleich zur Spâtzeit,
in der Religionsgemeinschaften und İmitationen dominierten, dem
„ w a h re n I s la m “verhâltnismâBig nâher kam. Ferner vertritt Atay die Anschauung, dass es
sich bei den meisten von den Sunna-Spezialisten hervorgehobenen Umstânden
um arabische Gewohnheiten und Traditionen handelt und diese unter dem
Begriff „Sunna“ in die Religion eingefügt worden sind. Im Hinblick auf
Angelegenheiten, die nicht im Koran geschildert sind, soll die Vernunft in den
Vordergrund rücken, doch die Sunna-Spezialisten haben durch ihre „İmitation“
die Vernunft in den Schatten gestellt. Denn Atay sieht die Vernunft als die
Quelle der Erkenntnis, die nach dem Koran und der Sunna folgt.12 Hüseyin Atay
bezeichnet die nach koranisch unbegründeten Hadithen, Gewohnheiten und
Traditionen, Kulturen, Imitationen und Religionsgemeinschaften geformte und
ausgelebte und seit mehr als tausend Jahren weltweit als Islam angewandte
Religion nicht als den wahren Islam, sondern vielmehr als die Religion des
Volkes (Tradition).13
Durch die Unterscheidung von Tradition und Islam, wie aus der obigen
Aussage zu entnehmen, strebt die Ankara-Schule danach, einen Beitrag an der
Intellektualisierung, Modernisierung und Globalisierung des islamischen
Kreises zu leisten, indem sie Kritik an der seit Jahrhunderten anhaltenden
Tradition ausübt. Die von der Ankara-Schule aufgeworfenen Gedanken
betreffen soziologisch und politisch wichtige Themen wie der Eintritt des
islamischen Kreises in den öffentlichen Raum, die Reaktion auf die sich
globalisierende Kultur und die Hinterfragung der traditionellen Rolle der Frau.
Der Begriff Ankara-Schule ist mit drei Namen zu assoziieren: Mehmet
Sait Hatipoğlu, Hüseyin Atay und Mehmet Hayri Kırbaşoğlu. Mehmet Said
Hatipoğlu, der am 25. September 1933 in Burdur zur Welt kam, besuchte in den
Jahren 1954-1958 den Fachbereich Religionswissenschaften in Ankara. Mit
seiner Arbeit „Der Anbruch der islamischen Kritikauffassung und die
Hadith-12 - Atay, Hüseyin , K u r ’an ’a Göre A raştırm alar „Untersuchungen gemâB dem Koran“, Bd.4 S.23; Taslaman, Caner: Küreselleşme sürecinde Türkiye'deki İslam , Der Islam in der Türkei im Zeitalter der Globalisierung, İstanbul 2010, S. 231-232.
13 - Atay, Hüseyin, Kur’an’a göre araştırmalar, Untersuchungen gem afl dem K oran, Bd.4 S.23.
Taslaman, Caner: Küreselleşme sürecinde Türkiye'deki İslam, D e r Islam in der Türkei im Zeitalter der Globalisierung, Istanbul 2010, S. 231-232.
K ritik “ im J a h r 1962 e rh ie lt e r sein en D o k to rtitel, m it se in e r A rb e it „ H a d ith - B ezie h u n g an H a n d v o n p o litisc h -so z ia le n H a d ith e n v o m T o d e d es P ro p h eten b is zu m E n d e d e r U m a y y a d e n “ im J a h r 1967 w u rd e e r D o z e n t u n d m it sein em W e rk „ E rste r p o litis c h e r N a tio n a lism u s im İslam : D as q u ra isc h e K a lifa t“ im Ja h r 1978 e rh ie lt e r seine P ro fe ssu r. H a tip o ğ lu , d e r im Ja h r 2 0 0 0 in d en R u h estan d g ing, fü h rt seine A rb e ite n m it d e r T eiln ah m e an K o n fe re n z e n u n d d e r A b fa ssu n g v o n B ü ch ern fort. S eine g e d ru c k te n W e rk e lauten: D as q u raisch e K alifat, Ü b e r die m u slim isc h e K u ltu r, S ch riften zu m K o ra n u n d z u r H isto rizitât, H a d ith -K ritik e n , d e r a k tu elle W e rt des Islam s u sw .
H ü se y in A tay , d e r im Ja h r 1930 z u r W e lt k am , h a t d as G y m n asiu m in B a g d a d ab so lv iert. 1954 h a t e r das F ac h b e re ic h fü r R e lig io n sw isse n sc h a fte n in B a g d a d m it B ra v o u r ab g e sch lo ssen . 1960 h a t e r sein D o k to ra t m it d e r A rb e it „F estleg u n g u n d V e rte id ig u n g d e r G la u b e n sg ru n d la g e n gem âB d em K o ra n “ a b g e sch lo ssen . 1968 w u rd e e r m it se in e r A rb e it „D ie S ch affu n g gem âB al- F a ra b î u n d İb n S ın a “ D o z e n t u n d 1974 e rh ie lt e r seine P ro fe ssu r. H ü se y in A tay , d e r 1997 in d en R u h e sta n d g in g , g ib t seit 1998 w e ite rh in V o rle su n g e n fü r D ip lo m - u n d D o k to ra rb eiten . N e b e n sein en d ru c k fe rtig e n W e rk e n h a t A ta y m it sein en 26 v e rö ffe n tlic h te n B ü ch ern , se in e r K o ra n -Ü b e rse tz u n g , sein en 82 V e rö ffe n tlic h u n g e n , 9 Ü b e rsetzu n g e n , 6 k ritisc h e n E d itio n e n u n d a c h t İn fo rm a tio n sb e ric h te n ein en groB en B eitrag z u r isla m isc h e n G e d a n k e n w e lt g e le is te t.14
U n d zu g u te r L e tz t M e h m e t H a y ri K ırb a şo ğ lu , d e r 1954 z u r W e lt k am u n d n a c h A b sc h lu ss se in e r S c h ü le rz e it in d en R e lig io n sw isse n sc h a fte n A n k a ra 1983 sein en D o k to rtitel, 1987 D o z e n t u n d 1999 seine P ro fe ssu r erh a lte n hat. E r le ite t die C h efred ak tio n d e r v o n 20 A k a d e m ik e rn g e g rü n d e te n Z e itsc h rift “İs la m iy a t“ . E in ig e se in e r w ic h tig e n W e rk e lau ten w ie folgt: S u n n a in d e r isla m isc h e n A u ffassu n g , H a d ith -M e th o d o lo g ie in d e r isla m isc h e n A u ffassu n g , A ltern a tiv e H a d ith -M e th o d o lo g ie , D ie R o lle v o n a l- S ch afii in d e r E n tsteh u n g des su n n itisc h en P arad ig m as.
D ie v o n d ie se n P e rso n e n in d e r A n k a ra -S c h u le g e sc h rie b e n e n B ü ch er, V e rö ffe n tlic h u n g e n , g e le ite te n T h e se n u n d o rg a n isie rte n V e ra n sta ltu n g e n w ie K o n fe re n z e n u n d S em in are h a b e n a u c h ih re an a n d e re n F a c h b e re ic h e n fü r R e lig io n sw isse n sc h a fte n tâ tig e n K o lle g e n b e e in flu sst. Sie fü h re n eb e n so v iel K o n ta k t m it w e stlic h e n L ân d e rn , w ie m it islam isc h en ; als G a sta k a d e m ik e r bzw .
14 - Atçeken, Salih, Hüseyin Atay’ın dine yaklaşımı , D ie religiöse Ansichten von H üseyin Atay, Diplomarbeit, Konya 2008. S. 13-20.
Teilnehmer an akademischen Organisationen haben sie sich im Ausland
aufgehalten. Sie beschrânkten ihre Reaktionen auf die festgestellten Probleme
innerhalb des Islams - wie die Gleichheit demokratischer Rechte oder der
Mangel an Frauenrechten - nicht nur auf akademische Veröffentlichungen,
sondern haben stets als Aktivisten dagegen angekâmpft.
Zwei Anhaltspunkte verdienen besondere Achtung. Zum einen ist die Tatsache
zu nennen, dass ebenso wie alle anderen Akademiker des Fachbereichs für
Religionswissenschaften in Ankara auch die hier genannten drei Personen nicht
in jeder Hinsicht einer Meinung sind, was die hier behandelten Themen
anbelangt. Zum anderen sind sie, der eigenen Aussage von Hüseyin Atay und
M. Sait Hatipoğlu nach, die ersten Personen, die - als Akademiker - etliche
Gedanken zur Erfassung des İslams, ohne sich an die Annâherung der Sunna-
Spezialisten fest zu klammern, aufgeworfen haben. Es kann gesagt werden, dass
Hüseyin Atay der erste Akademiker ist, der ausgehend vom Koran ab 1960
unabhângig von der religionsgemeinschaftlichen Denkweise seine Meinung im
Hinblick auf islamische Themen geâuBert und damit eine Vielzahl von
Akademikern beeinflusst hat.15
Im Bezug auf die Erfassung des Islams unterteilt Atay Personen, die
sich in einer gewissen traditionellen Denkweise befinden, in zwei Gruppen. Die
erste Gruppe besteht aus Personen, die sich in sehr engem Rahmen streng nach
traditionellen Gewohnheiten richten, die zweite Gruppe hingegen kommt aus
Personen zustande, die in sehr weiten MaBen die Probleme aller Menschen zu
lösen wünschen. Nach Atay ist die erste Personengruppe imitierend, die zweite
hingegen idealistisch.
Die imitierende Gruppe blickt zurück in die
Vergangenheit, die idealistische Gruppe Blick voraus in die Zukunft. Mit seiner
Aussage, „die
Idealisten beherrschten die ersten drei bzw. vier Jahrhunderte
des Islams, wahrend die Imitatoren über die folgenden Jahrhunderte
dominierten
“zâhlt sich Atay zur ersteren Gruppe.16
İn einer Welt, in der sowohl ein religiöser, als auch ein
wissenschaftlicher und kultureller Wandel stattfindet, bedarf es laut Atay
einigen islamischen Reformen, die folgendermaBen vorzunehmen seien:
„Eine
Reform ist keine Ânderung, sondern eine Berichtigung, Lauterung, die
15 -Taslaman, Caner: Küreselleşme sürecinde Türkiye'deki İslam , D e r Islam in der Türkei im Zeitalter der Globalisierung, İstanbul 2010, S. 219-220.
16 - Atay, Hüseyin, İslam’ı yeniden anlama, Die neue Erlauterung des Islam s, Atay und Atay Verlag, Ankara, 2001 S. 47.
Durchführung einer nützlichen Arbeit. Eine Reform ist eine Rechtsprechung, bei
der vorbehaltlos gedacht wird. Es ist allseits bekannt, dass die Rechtsprechung
im Islam vom Anfang an existierte und dass kein einziges Jahrhundert verlaufen
ist, da keine Rechtsprechung stattfand. Die Rechtsprechung und die damit
verbundene Neuerung sanieren den Verfall der Religion. Um sowohl die
Missverstandnisse innerhalb der islamischen Bevölkerung, mehr als eine
Milliarde an der Zahl, aufzuheben, als auch die richtigen Lösungen fü r
lückenhafte Anwendungen zu finden, bedarf es der Reform sowie der
Rechtsprechung.17
L a u t A ta y m u ss d e r In h a lt des K o ra n s tro tz seines u n iv e rse lle n u n d ew ig e n A u fb a u s, u n te r B e rü c k sic h tig u n g d e r U m stân d e u n d d e r h is to risc h e n S tru k tu r des 7. Jah rh u n d erts stu d iert w e rd en .
D e n n d ies is t ein e u n iv erse lle , g ere c h te u n d k la sse n lo se R elig io n , die die B ed ü rfn isse e in e r je d e n E p o ch e b efried ig t, die b is zu m E n d e d e r W e lt fo rtlau fen w ird , die d ie g an z e M e n sc h h e it an sp ric h t, die d e r N a tu r d es M en sc h en en tsp rich t, d e sse n B e stim m u n g e n d e r W is s e n s c h a ft u n d d e r V e rn u n ft n ic h t w id e rsp re c h e n , die d as L eb e n n ic h t ersc h w e rt, so n d ern erle ich tert, die das P rie ste rtu m ab leh n t, die die so ziale G e re c h tig k e it u n d d e n F rie d e n g rü n d e t u n d ein G le ic h g e w ic h t zw isc h en d em D iesse its u n d d em Jen se its b ild et. F alls sich z u r L ö su n g ein es V o rfa lls bzw . ein es P ro b lem s k ein e A u ssa g e o d e r k e in W o rt im K o ra n fin d en lâsst, so is t d a h e r ein e d u rc h die V e rn u n ft h erb e ig e fü h rte L ö su n g , also ein e R ech tsp re ch u n g , die n ic h t im G e g e n sa tz zu m u n iv e rse lle n Z w e c k u n d W e s e n des K o ra n s steht, als ein e v o m K o ra n u n te rstü tz te L ö su n g a n z u e rk e n n e n .18
Q uellen
A tay, H ü sey in
, İslam’ı yeniden anlama, Die neue Erlauterung des Islams, Atay und
Atay Verlag, Ankara, 2001.
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, Kur’an’a göre Araştırmalar,
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, Hüseyin Atay’ın dine yaklaşımı , Die religiöse Ansichten von Hüseyin
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az-Z ab ld l, M u rta d a
, Tağrıd aş-Şarıh
(Übrs: Ahmet Naim-Kamil Miras) Ankara 1979.
17 - Atay, Hüseyin, Kur’an’a göre Araştırmalar, Untersuchungen gem afi dem Koran, Bd.4 S.48 und 128.
18 - Atay, Hüseyin, Kur’an’a göre Araştırmalar, Untersuchungen gem afi dem Koran,