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Başlık: VOM URSPRUNG DER GRIECHISCHEN PHILOSOPHIEYazar(lar):FREYER, Von Hans Cilt: 14 Sayı: 1.2 Sayfa: 021-029 DOI: 10.1501/Dtcfder_0000001218 Yayın Tarihi: 1956 PDF

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Academic year: 2021

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VOM URSPRUNG DER GRIECHISCHEN

PHILOSOPHIE *

Von Hans FREYER

Wenn wir die Philosophie der Griechen als das ewige Vorbild der Ph i-losophie überhaupt und als die Quelle empfinden, aus der das Denken zu allen Zeiten geschöpft hat und immer wird schöpfen körmen - wenn wir.

Heraklit, den "Dunklen", Platon, den spatere J ahrhunderte den Gött-lichen nannten, und Aristoteles, der dem Mittellater als" der Philosoph" schlechthin galt, gleichsam als die reinen Falle der Philosophie betrach-ten, wenn in vielen Sprachen der Erde das Streben nach letzter Erkenntnis 'bis heute mit dem schönen griechischen Wort "Liebe zur Weisheit" benannt

wird, so meinen wir damit wohl zweierlei.

Wir meinen erstens die weltweite Wirkung, die von der griechischen Philosophie tatsachlich ausgegangen ist. Platon und Aristoteles haben durch mehr als zwei Jahrtausende hindurch das wissenschaftliche Denken Europas völlig bestimmt. Schon dafür gibt es kaum eine Parallele in der Denkgeschichte der Menschheit, höchstens eine einzige: die Wirkungs-kraft des Konfutse und des Laotse in der fernöstlichen Welt. Wie aber die griechische Philosophie bei der Dogmatisierung der christliehen Kirchen-lehre seit Origenes entscheidend mitgewirkt hat, wie erst ein Jahrtausend lang der Platonismus, dann Aristoteles diese neue geistige Welt denkerisch durchgeformt hat, das ist ein völlig einmaliger Fall, und die Philosophie ist hier wirklich zu einem Agens der Weltgeschichte geworden, -der Welt-geschichte zumal deswegen, weil der gleiche Prozess in der geistigen Welt des İslam vonstatten ist (auf diesem Wege hat ja das Abendland den Aris-toteles allererst wieder empfangen). Die griechische Philosophie hat dadurch, ohne jede Einbusse an denkerischer Tiefe und an begrifflicher Scharfe, eine Breitenwirkung erlangt, wie nur die ganz grossen Religionsstifter sie erreicht haben, Diese universale Ausstrahlungskraft meinen wir also zuerst, wenn wir die griechische Philosophie als den Prototyp des Philosophierens

überhaupt empfinden. .

Wir meinen noch etwas Zweites. Wir meinen den vorbildhaften, wahr-haft klassischen Gang, den die griechische Philosophie von der Zeit ihres Entstehens im 6. vorchristlicherı J ahrhundert bis zu ihrem Ende im 6. nachchristlichen Jahrhundert durch die Probleme hindurch gegangen ist. Die Geschichte der Philosophie ist bei den Griechen nicht nur eine Abfolge von Systemen, die je in der besonderen Geistesart der einzelnen Denker

• Wordaut eines an der Philosophischen Fakultat der Universitat Ankara gehal-terıen Vortrags,

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22 HANS FREYER

ihren Grund haben, und nicht nur ein Wechsel der philosophischen Rich-tungen (welchen Eindruck doch nur allzu leicht die Geschichte der Philo-sophie bei anderen Völkern, besonders bei den modernen, hinterlasst) Nein: die Geschichte der griechischen Philosophie war ein Ausschreiten des ge-samten Denkraums: so, dass jeweils ein bestimmter Problemkreis in die Mitte rückte und die anderen Probleme zwar nicht veschwanden, aber nun von dieser Mitte aus gesehen wurden und damit wie neu gestellt er-schienen. Diese Schwerpunkt- Verlagerung, die mit einer grandiosen inneren Logik vor sich geht und alle prinzipiellen Möglichkeiten durchlauft, gibt der Geschichte der griechischen Philosophie ihren paradigmatischen Charakter. Man könnte sagen: die Griechen haben in der Geschichte ihrer Philosophie zugleich das System der Philosophie entfaltet.

Dieser paradigmatische Gang der griechischen Philosophie durch die Prdbleme hindurch ist immer gesehen worden; alle Darstellungen der grie-chischen Philosophie sind nach ihm gegliedert. Es ist in der Tat ausserst ein-drucksvoll, wie die Griechen, andern Völkern ganz ahnlich, mit einer dichte-risch gebundenen Spruchweisheit beginnen, wie dann im ionischen Kleinasien und etwa gleichzeitig in den Griechenstadten Siziliens und Unteritaliens die Idee eines freien, nur sich selbest verantwortlichen, den ganzen Kosmos umgreifenden Denkens erwacht uiıd wie sich dieses Denken zunachst mit aller Kraft auf die Gesamtheit des Seienden und auf das Problem des Seins selbest wirft, also die Kosmologie und zugleich die Ontologie aus sich entfaltet. Wie dann im Zeitatlter des Perikles und des Peloponnesischen Krieges (oder, anders ausgedrückt, im Zeitalter der Sophisten und des So-krates) die Problemlage der Philosophie zum ersten Mal umschwingt, die Frage nach der Möglichkeit und Gültigkeit menschlicher Erkenntnis und die Frage nach der Herkunft und Verbindlichkeit ethischer Normen in den Mittelpunkt rückt. Die Themen der Erkenntnistheorie, der Sprachphilo-sophie, der philosophischen Anthropologie und der Werttheorie werden damit neu hinzugewonnen, wobei aile Möğlichkeiten bis zum extremen Subjektivismus und Agnostizismus durchgespielt werden, Dann als nachste Etappe der Höhepunkt der griechischen Philosophie, die beiden grossen Systeme: Platon, dessen Derıkgebaude erstmalig alle Teile der Philosophie von der Erkenntnistheorie und Logik bis zur Ethik und Staatslehre, bis zur Metaphysik und Theologie umspannt,- und, an denkerischer Kraft ihm ebenbürtig, an iıhaltlichem Reichtum und Sinn für erfahrungswis-senschaftliche Forschung ihm noch überlegen, Aristoteles. Neben den beiden Grossen aber, von Sokrates direkt ausgehend, all die Schulen, in denen besonders die Fragen der Ethik nach allen Richtungen durchgedacht werden.

Das Grossartige ist, dass nach dieser hohen Mitte des griechischen Geistes die originale Schöpferkraft keineswegs erlahmt, jedenfalls nicht auf dem Gebet der Philosophie. Dem universalistischen Charakter des Hel-lenismus gemass kreist die Philosophie vom 3.

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ahrhundert ab um die

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Frage nach dem allgemeinen Weltgesetz und nach der für alle Menschen verbindlichen Einordnung in dieses. Sowohl die Stoa wie die Schule Epi-kurs wie die an Platon und Aristoteles unmittelbar anknüpfenden Schulen haben die Fragen der praktischen Philosophie immer im Zusammenhang mit den metaphysischen Problemen gesehen, und bis in die römische Zeit hinein sind hohe Leistungen erreicht worden, so in dem erst kürzlich erschlossenen Poseidonios.- Endlich als die letzte Grosstat der grie-chischen Philosophie, der sogenannte Neuplatonismus Plotins, der ja keines-wegs ein blosser N achklang der Platonischen Philosophie ist, sondem ein mit platonischen und aristotelischen Begriffsmitteln arbeitendes Derıkgebau-de von' grossartigem Wurf: weithin wirkendes Vorbild all er Philosophi-schen Systeme, deren zentraler Gehalt in der Religionsphilosophie liegt. Dieser Stufengang der griechischen Philosophie, der zugleich eine Ausfacherung der Probleme ist, ist so vollstandig, dass er beinahe wie eine Systematik im Nacheinander wirkt. Nur ist er viel reicher, als ein System es sein könnte, weil er eben nicht rational entworfen ist, sondern in einem Gesprach, oft sogar in einem Karnpfgesprach grosser Geister durch ein Jahrtausend hindurch verwirklicht wurde. Diese Eigenart der griechischen

Philosophie ist, wie gesagt, immer gesehen woren, Ich glaube sogar, sie ist oft zu einseitig betont worden Es ware zum Beispiel zu einseitig, die Vorsokratiker auf Naturphilosophie, die Sophisten auf Psychologie, Sokra-tes auf Kritizismus, Platon und Aristoteles auf Ontologie und dann etwa die Stoa auf Ethik festlegen zu woIlen. Der mehrfache Themenwechsel, der die griechische Philosophie charakteisiert und der sie so wundervoIl gliedert, bedeutet nie eine Vereinseitigung, sondern immer nur eine Schwerpunktverlagerung: die Probleme gruppieren sich nur je um eine neue Mitte und enthüllen dadurch einen neuen Sinn.

Doch das ist noch nicht das Ganze. Durch den Themenwechsel und die Schwerpunktverschiebungen hindurch gibt es eine Einheit der grie-chischen Philosophie. Ein Prinzip wohnt ihr inne, das ganz an ihrem Anfang aufgeht und bis zuletzt in allerı ihren Gestalten lebt. Die griechische Phi-losophie ist einWesen, ist gepragte Form, die lebend sich enthickelt. Davon möch te ich heu te sprechen: von der Einheit der griechischen Phi losophie, von ihrem Ursprung, der in allerı ihren Abwandlungen bestimmend bleibt, die Griechen selbest würden gesagt haben: von ihrer 'arche'. Dabei ist das Wort Ursprung nicht (oder nicht nur) im genetischen Sinne gemeint, sondem im logisehen Sinne. Auch das griechische Wort, arche, hat ja diese doppelte Bedeutung. Es bezeichnet den zeitlichen Anfang, aber es bezeich-net ihn insoferrı, als er wirkungskraftig und handlungsfahig durch alle spateren Formen hindurchreicht ..

Man muss diesen Ursprung, diese arche der griechischen Philoso-phie sogar bis weit vor die Vorsokratiker zurückverfolgen. Und das ist heute möglich geworden dank der Arbeit der Altphılologen an den Problemen der griechischen Sprache. Sie kennen vielleicht das Distichon von Schiller,

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in dem es heisst, dass eine gebildete Sprache "für uns dichıeı und denkt". Damit ist tiefe Wahrheit ausgesprochen. Die Spraehe ist nicht nur das Mittel des Denkens, sondem das Medium, in dem sich das Denken bewegt, gleichsarn der Leib, in dem es lebt. Vieles an Kategorien, an gegcnstand-lieher Erfahrung, an gültigen Verknüpfungen findet das Denken im Gefüge der Sprache vor und sehöpft aus diesern Vorrat.

Nun aber das Weşsentliche: die Spraehen unterscheiden sich in dieser Hinsicht. Nieht jede ist in gleichem Masse auf Philosophie angelegt, und die griechische Spraehe ist es in einem besonders hohen Grade. Eine ein-malige Kraft der Vergegerıstandlichung, der Gliederung und der Ideierung wohnt ihr inne, und darum hat sie an Hunderten von SteIlen von der schliehten Wortbedeutung sozusagen von selbst zur Philosophie hingeführt. Ich will nur zweierlei hergausreiferı, um das zu verdeutliehen.

Zunachst lasst sieh an vielen Beispielen dartun, dass die Bedeutungs-felder çler Worte von Anfang an und jedenfaIls seit Homer so gestaltet waren, dass in ihnen die philosophisehe Dimension bereitlag, sodass die philosophische Bedeutung autoehthon aus der natürlichen Wortbedeu-tung erwachsen konnte. "Logos", das ist zunachst einfach, das Wort, das einer zum anderen sagt. Aber schon bei Homer, dann vor allem in dem

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ahrhundert nach ihm regt sich in dem Wort Logos der philosophische G hall. Als Hekataios von Milet die Gestalt der Lander, Meere und Flüsse zeigte, indem er sie auf eine MetaIlscheibe einzeichnete, schrieb er dazu einen "Logos", d.h. eine Erklarung, einen Kommentar. Und als Anaxi-mandros ein Modell des Universums (eine "Sphaira") konstruierte, schrieb er gleichfalls einen Logos dazu, das heisst eine Deutung des Bildlichen im Wort.

Das ist das Vorstadium. Wenige Jahrzehnte spater aber vollcndet Heraklit den philosophischen Begriff des Logos, indem er sagt: sein Wesen sei "dass Eins aIles wisse., und Parmenides beschreibt den Logos als die Fahrt göttlicher Rosse zur Wahrheit. Von da geht dann ein Strom der Entwick-lung zur. Logoslehre des Platon und des Aristoteles, zum Logos spermatikos der Stoa, zum Logosbegriff des Johannesevangeliums und zum Plot,inis-mus,- ein grader Weg von der Sprache des Alltags in die Philosophie.

Das Gleiche gilt für ein Wort wie "Ethos", das zunachst einfach die Gewohnheit, die Sitte bezeichnet, in dem aber die ganze philosophisehe Ethik enthalten ist, -oder für ein Wort wie Physis, das sehon an cinigen Stellen bei Homer die vertiefte Bedeutung der gewachsenen Form oder der natür-liehen Struktur hat, und das dann besonders bei den Sophisten und in der Stoa zu einem reicherfüIlten philosophischen Begriff fortgebildet wird. Es gilt für Worte wie Nomos, wie oos, wie Kosmos. Und es gilt für das Wort Eidos, das zunachst ganz schlicht das Bild, das Seh-Ding, die siehtbare Gestalt bezeiehnet, und das gradewegs zum Zentralgegriff der Platonisehen Ideenlehre geworden ist, dieses wohl grössten Philosophems in der Denk-gesehichte der Menschheit. Wahrend alle modernen Spraehen, jedenfalls

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die indogermanischen, ihr philosophisches Begriffsgut künstlich haben bilden müssen - meist haben sie es durch Anleihen beim Griechischen gebildet - ist hier und hier allein die Philosophie autochthon aus der Spra-che herausgewachsen. Das ist eine Tatsache, die gewiss sehr viel über den Ursprung der griechischen Philosophie besagt.

Doch nicht nur im Bedeutungsgehalt der einzelnen Worte sondem im elementaren Gefüge der griechischen Sprache steckt die Anlage zur Philosophie. Ich will hier nur eine Einzelheit nennen. Die griechische Spra-che hat vom hinweisenden Fürwort aus den bestimmten Arktikel ausge-bildet und hat ihn vom speziellen Artikel (der ein individuelles Ding be-zeichnet) zum allgeıneinen Artikel fortentwickelt, der eine ganze Dinggattung bezeichnet, -ein sprachlicher Prozess, der sich in homeriseher und nachho-merischer Zeit deutlich verfolgen lasst. Darnit wurde es möglich, Adjektiva und Verba zu substantivieren, d.h. immer neue Cegenstande d~s Denkens zu schaffen. Es gab nun "das Gute", es gab "das Leben, es gab "das Sein':.·

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a es wurde möglich, ganze Satze zu Subjekten zu erheben, von denen dann als ganzen eine neue Aussage gemacht werden konnte. Dieses sprach-liche Mittel wird bei den Sophisten, dann vor allem bei Platon und Aristo-teles voll ausgebildet. Begriffsbildungen wie "to me on" "to ti en einei" sind im Griechischen ohne weiteres möglich. Hier kann man wirklich mit Augen sehen, was es heisst, wenn eine Sprache -auf Philosophie angelegt ist. Selbstvestarıdlich müssten diese Möglichkeiten schöpferisch genützt werden, sonst waren sie auf halbem Wege liegen geblieben, -und das die Tat der ionischen Philosophien. Aber als, Möglichkeiten waren sie da.

Sodann muss ich, wenn ich schon von den vorphilosophischen Ursprürı-gen der griechischen Philosophie spreche, noch an eins erinnern ı- an die besondere plastische Kraft des griechischen Auges. Empedokles, einer der Grossen aus der ersten Epoche der griechischen Philosophie, hat das Wort 'von dem "unermüdlichen Auge" gepragt, mit dem die Griechen die Welt anschauten. Nun: unermüdlich sein, das heisst nie versagen, aber es heisst auch nie genug haben, imm er aufnahrnebereit sein, aber auch unersattlich. Die Griechen haben in der Tat mit einer beispiellosen Wachheit der Sinne, voran des Auges, Well aufgenommen, Dinge gewahrt und erkundet. Sie sind wissensdurstig gewesen bis zur Neugier und ıheorc-tisch, d.h. schaulustig.ıbis zur Genialitat. Denn was Empedokles die Unge-duld des griechischen . Auges nennt, das ist ja, anders gesehen, zu-gleich eine Geduld des Auges. Nur ein Blick, der die Welt gliedert und ordrıet, ist dauernd offen und aufnahmebereit. Nur das Durchgestaltete reizt und beschaftigt, Am Chaos würde auch das unermüdlichste Auge sehr bald ermüden. Diese wundersame Fahigkeit aber hat das griechische Auge. Es unterscheidet in allerı Bereichen der Natur und der Lebenswelt ge-bundene und gegliederte Formen, greift sie zusammen und hall sie un-vergesslich fest.

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a es modelliert sie ringsum zur bündigen Gestalt. Der

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Urtrieb zur Plastik und die Begabung zu ihr ist bcrcits im griechischen Auge angelegt.

Diese gegenstandliche, den Gegenstand plastisch erzeugende Kraft des Sehens ist der Philosophie ebenso zugute gekommen wic die begriffs-schöpferische Kraft der griechischen Sprache. Und man könnte also mit gutem Recht sagen, dass die griechische Philosophie nicht nur in der Sprache, sondern sogar in der sinnlichen Wahrnehmung schon beginnt.

Doch ich wiederhole: das alles ist 'nur die Voraussetzung, das alles ist nur cin bereitliegendes Instrumentarium, das liegen geblieben ware wenn darauf nicht musiziert, das heisst philosophiert worden ware, Dass das geschah, ist die weltgeschichtliche Bedeutung jenes grossen Durch-bruchs im 6. J ahrhundert. Friedrich Nietzsche hat die griechischen Philo-sophen, die wir die Vorsokratiker zu nennen pflegen, in einer bedeut-samerı Jugendschrift unter dem Titel behandelt: "Die Philosophie im ıra-gischen Zeitalter der Griechen". Damit ist auf den inneren Zusammenhang zwischen der Philosophie und der Tragödie hingewesen. Diese beiden ungleichen Schwestern gehören in der Tat aufs engste zusammen. Viel-fach sind die Faden, die sie verbinden. sachlicher und persönlicher Art. Ieh will auch hier wieder nur eins herausgreifen.

Tragödie und Philosophie (und als dritte Schwester könnte man die Lyrik JIinzunehmen, deren erste Blüte gleichfalls im 6. J ahrhundert liegt) -alle drei bedeuten die Herauslösung des einzelnen Mensehen aus den Bindungen des überkommenen Glaubens, bald auch aus der Lebens-einheit der Polis, die Bewusstwerdung der freien Persönlichkeit, die nun ihr Innenleben, ihr Schicksal und so au ch ihr Denken als das eigene weiss und in die eigene Verantwortung übernimmt. Nur wenn das geschieht, wird Tragödie möglich. Denn sie setzt voraus, dass die menschliche Person als die Quelle eigener Entscheidungen und als die Statte eines be-sonderen Schicksals erfahren wird: erst so ergi bt sich die tragische Situ-ation. Die gleiche Freisetzung der menschlichen Person - sodass nun der Mensch als Subjekt eines selbstverantwortlichen Denkens dem ganzen Kos-'mos gegenübersteht, -liegt der Philosophie zugrunde. Daher die innere

Wahlverwandtschaft, ich möchte sagen: die Ebenbürtigkeit der grossen Philosophengestalten der vorplatonischen Zeit mit den Dichtern der Tra-gödie. Daher ihr gemeinsames Ringen um die sittliche Würde der mensch-lichen Person und um die sittliche V crtiefung der alten Götterwelt,-ein Ringen, das in der Philosophie zwar nicht durchgangig, aber stellenweise gradezu zum Kampf gegen die Götter des homerisehen Mythus wird. Hier ist ein hoher Individualismus nicht nur gedacht sondern gelebt worden. Einsamkeit ist ein Wesenszug der vorsokratischen Denker. In den Ge-sehichten, die etwa um Heraklit oder um Empedokles kreisen, hat das ın echt grieehischer Weise seinen pragrıanten Ausdruck gefunden.

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VOM URSPRUNG DER GRIECHlSCHEN PHILOSOPHlE 27 Und was sagen nuı;ı diese Denker? Eine Antwort auf diese Frage müss-te ja wohl endgültig zur 'arche' der. griechischen Philosophie hinführen, denn hier ist die Philosophie im europaisehen Sinne geboren worden.

Natürlich sagen sie sehr Verschiedenes. Jeder von ihnen unternimmt , das Abenteuer der Philosophie auf eigenen Wegen; das gehört au ch zu ihrem ich, Individualismus. Und doch glaube ich, dass man ihr gemcinsames Bestreben in eine Art Formel fassen kann, die freilich nicht ganz einfach ist. Dafür bezeichnet sie dann aber au ch nicht nur den Konvergenzpunkt der vorsokratischen Systeme, sondem reicht durch die ganze Geschichte der griechischen Philosophie durch, erıthalt also wirklich deren Prinzip.

Ich erinnere noch einmal an das soeben über das griechische Auge Gesagte, - an die besondere plastische, d.h. gegenstandsbildende Kraft, die ihm innewohnt. Das Denken setzt diese objektivierende Arbeit fort. Es erwirbt in stetiger Arbeit (und diese Arbeit könnerı wir in den Fragmenten der Vorsokratiker Schritt für Schritt verfolgen) die Fahigkeit, das Vi el-faltige zu gliedern, das Kompakte zu analysieren, das Flüchtige zu objek-tivieren, es dabei aber nicht unlebendig zu verfestigen, sondem auch seine Veranderungen mit anzuschauen, sodass auch Beıoegungen als gegenstand-liche Ablaufe im Denken fassbar werden. So entsteht dem Denken geg~nü-ber eine gegenstandliche Welt in klarer Ordnung, durchwaltet von Bewe-gungen, die bestimmten Gesetzen folgen.

Es gibt eine schöne Untersuchung des Altphilologen Bruno Snell, in der nachgewiesen wird, wie die bildlichen. Gleichnisse, mit denen z. B.. Empedokles arbeitet, nicht mehr nur den Sinn haben, menschliches Tun zu versinnbildlichen (wie das .alle Gleichnisse Homers tun). Sondem sie wollen materielle Vorgange in ihrer Gesetzmassigkeit bezeichnen. Sie wollen Naturprozesse auf ihre gültige Formel zurückführen. Sie wollen also einen Bereich des Seins nach dem anderen in seiner gegenstandlichen Natur denkend aufgliedem und durchleuchten. Das ist der Weg, der in einem kühnen Vorgriff zur Seinslehre der Eleaten, und der, zu Ende gegangen, zur Ideenlehre Platons und zur Ontologie des Aristoteles geführt hat.

Aber damit ist nur die eine Seite im Prinzip der griechischen Philoso-phie hervorgehoben. Das Denken ware noch nicht Denken, sondem bliebe eine Art Anschauen, wenn es nur die Dinge der Welt auffassen und ordnen wollte. Das Denken wendet sich, wenn es erst erwacht ist, zugleich auf sich selbest zurück, und indem es den Gegenstand denkt, denkt es ihn zu-gleich als einen gedachten, und es denkt sich selbst als ihn denkend. Diese Doppelbewegung, deren beide Seiten untrennbar sind, diese Spannung heisst seit Heraklit und Parmenides "Logos", Indem die Griechen dem Wort Logos diesen Sinn gaben, haben sie die Erkenntnis gewonnen, dass der Mensch in jedem Wort, das er mit Bewusstsein sagt, d.h. in jedem Denkakt, sowohl die Welt ergreift und sie in ihrer objektiven Gegenstandlich-keit bestatigt, wie au ch sich selbst in den Griff bekommt. Denn dieses Sich-selbst-denkerı .des Denkens ist nicht eine müssige Selbstbeobachtung, nicht

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nur ein nachıraglich oder nebenbei Auf-sich-selbst-Reflektieren. Sondem in ihm stellt sich das denkende Subjekt in einer bestandigen Anspannung erst her, es bringt sieh selbst zur Existenz, - und es realisiert dadurch erst den subjektiven Pol, dem gegenüber es objektive Wahrheit überhaupt gibt. Darum ware es so falseh, irgendeinen der griechischen Philosophen, auch sehon der ganz frühen, auf ein Teilproblem objektiver Art auschliess-lieh festlegen zu wollen, z.B; auf die Frage nach dem Grundstoff der Welt. In Wahrheit ist das Therna dieses Philosophierens immer der Logos. Alle Kosmologien der Naturphilosopherı, alle Logismen der Eleaten, alle Mathemata der Pythagoreer, alle Gleiehnisse des Empedokles oder des Heraklit sind angestrengte Bcmühungen, das Denken so zu intensivieren, dass es d~s Mensehen eigene Existenz (und erst damit die Wahrheit im objektiven Sinne) erreieht.

Am eigenwilligsten, aber auch am grossartigsten hat Heraklit das ausgesprochen. Auch seine Lehre liegt ja nur in Fragmenten vor. Aber soviel wird aus den Fragmenten ganz klar: Philosophie ist für Heraklit nicht ein System objektiver Aussagen, die diskursiv verbunden sind, sondem ist der Vollzug eines inneren Tuns. In ihm reisst sieh der Mensch aus der Verhaftung in die Alltaglichkeit los und bringt sieh selbst zu einer eigent-liehen Existenz, und ersi:in dieser wird er des Seienden, wie es eigentlieh ist, gewahr. Zur Alltaglichkeit gehören für Heraklit aueh die Verstrickungerı , der überkommenen Bildung, des politischen Handelns und des gewohn-ten religiösen Kults: all das verdeckt die eigentliche .Existenz des Men-schen. Nur dureh die Kraft des Logos, die in der Tiefe der Seele verborgen liegt, vermag der Menseh sich loszureissen, sieh aufzuhellen und sich selbst zu gewinnen, aber dureh diese Selbteroberung erobert er zuglich die Er-kenntnis ~es, "Einen": den Sinn und die Ordnung der Wirklichkeit. All die berühmten Bilder Heraklits: die Flamme die satt ist und ,darbt, der Strom, der immer der gleiche und immer ein andrer ist, der Bogen, der das Widerspensıige zur Ruhe spannt-sind nicht allegorisehe Wendungen zur Charakterisierung eines unabhangig vom Denken bestehenden me-taphysischen ,Seins (diesen Begriff lehnt Heraklit ausdrüklich ab), sondem sie sind Teilakte der inneren Handlung, die dem Menschen die Eigentlich-keit seiner Existenz und darnit zugleieh die GöttlichEigentlich-keit der Welt auf-sehliesst. "Ich suchte mi ch selbat't-in diesem Aphorismus spricht Heraklit nicht nur den persönlichen Antrieb seines Denkens, sondem den Ursprung der Philosophie im griechischen Sinne überhaupt aus.

Es sind gewiss sehr andre Ansatze der Philosophie denkbar, und die. indisehe Spekulation, die chinesische Weisheit waren tatsachlich sehr an-'ders angesetzt. Die gesamte Philosophie unsres Kulturkreises aber, steht in der Nachfolge und Erbschaft der griechischen Philosophie und ist von ihr praforrniert. Die gegenstandliche Welt, gedacht von einem Denken, . das sich wesentlich auch selbst denkt - oder antlers gesagt: der Menseh, sich dem .Logos nicht nur hingebend, nicht nur in ihn verfliessend wıe ın

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VOM URSPRUNG DER GRIECHlSCHEN PHILOSOPHIE ' 29 ein höheres Sein, sondern ihn in sich packend, sich existenziell zu ihm erhebend und dadurch sowohl sein eigenes Wesen wie die objektive Wahr-heit gewinnend - diesen Ansatz haben die Griechen gemacht, U nd sie haben ihn bis in alle Varianten der Skepsis und des ethischen Solipsismus, andrerseits bis in alle Varianten des Materialismus durchgespielt, immer unter Festhaltung ihres philosophischen Prinzips.

Denn dieses Prinzip ist festgehalten, auch in den grossen Systemen, auch bei den Stoikern und bei Epikur auch bei Plotin. Und es ist gültig geblieben durch die Scholastik, die Renaissance und den Rationalismus .hindurch, zum mindesten bis einschliesslich Hegel. (Darnit komme ich imf \ meinen Ausgangspunkt, auf die weite historische Wirkung der griechischen

Philosophie, zurück).

Seitdem freilich hat die europaische Philosophie versucht, den Ring des Logos zu sprengen, aus ihm auszubrechen oder ihn aufzulösen, Es ist ein Symptom dafür, dass die beiden Positionen Ontologie und Exis-tenzphilosophie, deren Vereinigung grade das Prinzip der griechischen Philosophie ausmacht, heute fast wie unvereinbare Gegensatze gegen einan-der zu stehen scheinen. Sollte das endgültig sein, so würde es bedeuten, dass wir dem von den Griechen geschaffenen Anfang abgesagt hatten, Ich glau-be nicht, dass es endgültig ist, kann aglau-ber hier diese These in der Kürec naturlich nicht beweisen oder auch nur begründen. Ich glaube, das auch die Philosophie unsrer Tage, samt den gewaltigen Spannungen, die ihr innewohnen, noch in der Nachfolge der Griechen steht und weiter stehen wird.

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Referanslar

Benzer Belgeler

Institute of High Energy Physics, Chinese Academy of Sciences, Beijing, China 33b Department of Modern Physics, University of Science and Technology of China, Anhui,

Stepanov Institute of Physics, National Academy of Sciences of Belarus, Minsk, Republic of Belarus 90 National Scientific and Educational Centre for Particle and High Energy

pyogenes strains were examined for penicillin, ampicillin, cefazolin, cefuroxime, ceftriaxone, erythromycin, clarithromycin and azithromycin, clindamycin, ofloxacin,

Bu derginin tamamı ya da dergide yer alan bilimsel çalışmaların bir kısmı ya da tamamı 5846 yasanın hükümlerine göre Ankara Üniversitesi Eğitim Bilimleri

ide tamamiyle müşterinin aleyhine değildi; çünkü, Justinianus hukuku böyle bir halde satıcının zayi olan mebi ile ilgili bütün davalarının müş­ teriye devredileceğini

İnfekte olan, infekte olduğundan şüphelenilen ve infekte olmayan ancak riskte olan hayvanların izole edilmesi ve kontrol altında tutulmasıdır.. Oldukça eski bir yöntem

Nikel esaslı süper alaşımlar, başta nikel olmak üzere, önemli miktarlarda krom içeren alaşımlar olarak tanımlanmıştır. Temel alaşım elemanı olarak kobalt, demir,