Altoriental. Forsch. 33 (2006) l, 94 -101.
Tlrouas ZrMnasnl4nxr.r
Fluchtpunkt Hellespont? - Einige Bemerkungen
zur Renaissance
friihbro nzezeitlicher Keramiktraditionen
in der anatolischen
Eisenzeit
1
Ein Schwerpunkt archiiologischer und philologischer Forschungstiitigkeit in Vorderasien liegt in dem Bestreben, das kulturelle Geprdge Kleinasiens und seiner angrenzenden Regionen nach dem endgiiltigen Zusammenbruch des hethitischen GroBreiches gegen
Ende des zweiten Jahrtausends v. Chr. ftir alle Gebiete gleichmiiBig austariert zu
interpre-tieren.2 Zwar stehen uns eine Menge an Erkenntnissen zur kritischen Phase der altorien-talischen GroBreiche gegen 1200 v.Chr. zur Verftigung, die durch eine oft ungliickliche Verquickung von dkologischen und politischen Faktoren bereits im Vorfeld des
Zusam-menbruchs empfindlich geschwiicht scheinen.3 Quellensituation und Chronologie sind in
den Nachbargebieten ist aber oft zu unausgewogen bzw. unsicher, als daB die erheblichen
sozialen und okonomischen Umwiilzungen in ihrer vollen Konsequenz f:irr die weitere
geschichtliche Entwicklung des Nahen Ostens schltissig beschrieben und gedeutet werden
kOnnten.a
Der reichen wissenschaftlichen Ernte aus den spiiten Zentren der orientalischen
GroB-miichte, die zur Erhellung der Geschehnisse an der Schwelle des 1. vorchristlichen
Jahr-tausends unabdingbar sind (supra), steht eine weitgehende Unklarheit uber das Schicksal und die weitere Entwicklung ftir das Umland der jeweiligen Zentralorte gegeniiber - ein
Forschungsdesiderat, daB erst in jtingerer Zeitvercttirkt in Angriff genommen wurde.s
I Das Manuskript wurde im Februar 2006 abgeschlossen. Ich danke den Herren Rainer Czichon, Berlin
und O[uz Soysal, Chicago ftir ihre wertvollen Kommentare und Ratschliige bzgl. der Erstfassung des
vorliegenden Textes. Besonderer Dank ergeht zudem an Herrn Hikmet Denizli, Direktor des
Mu-seums fiir Anatolische Zivilisationen in Ankara, fiir die Erteilung der
Kahnkaya-Publikationsgeneh-migung, sowie an Herrn Ben Claasz Coockson, Bilkent Universitiit fiir die Anfertigung der
Zeichnun-gen.
2 Fur aktuelle Diskussionsbeitriige zur kritischen Phase des Ubergangs von der Spiitbronze- zur
Eisen-zeit im mittelmeerischen und vorderorientalischen Raum vgl. Ward/Joukowsky (L992); Gitin u.a.
(1998); Silberman (1998); Niemeier (1998); Fischer u. a (2003); Strobel (2005) mit weiterfiihrender Lit.
3 Fiir eine ausfiihrliche Darstellung siehe Klengel (1999), 309ff. sowie ftir Literatur bis 1998 407f.; bes.
Hoffner (1992),50f.;Muscarella1995,91ff.;Siirenhagen (1996),286ft.;Seeher (2001), 623tt.mit Lir.
-Zu Engpiissen in der existenzsichernden Getreideversorgung vgl. speziell Klengel (1974),170ff.
o Vgl. Bertram (2003),250.
s Siehe va. dazu Okse (1999), bes. 327ff.;359ff.; Tab.5; Czichon (1997); Czichon (1998); Czichon
(1eee).
Altoriental. Forsch' 33 (2006)
Dank neu gewonnene Keramik liiBt sich demkc frtihen ersten Jahrtausel
Genz konnte jtingst in n eisenzeitliche Keramikfi friihen und mittleren an formen aus den eisenzei deutliche Parallelen zu f wie Alaca HoYiik bzw. Kriigen mit Kleeblattaus kommen, lassen sich stil Jahrtausend v. Chr. in Ve Postgate auf iihnliche Be bei Silifke gelegenen Ki rierte, bemalte Keramil hang auf.e
Dieses hier nur kurz s stellten Keramiken, son im Nordwesten Kleinal merk soll sich daher im richten, die v. a. aus den teristisch mit einer Kor gebenden ,,Buckeln") I mik ist ohne Ausnahm hauptsiichlich aber S-fo Tassen mit z.T. tiberrat meist dunkel bis schwa gebrannte Ton ist weni ebenso fremd wirkende Sowohl Herstellungt ,,Buckelkeramik" als a Schichten der Ansiedh der Neuankunft von 1 dung gebracht werden, nach Anatolien gelangl Demzufolge kiimen Barbarische Ware in e 6 Genz(2003),187:"Genz 7 Genz(2005),77 Abb.l. 8 Genz (2005),79 Abb.z, e Postgate (2005),27t. 10 Blegen u. a. (L958), 165 11 Koppenhofer (2002), 6' 12 Koppenhtifer (2002),6'
' 6L9' (2002) reJorlueddoy zr 'g-Z'qqv'il99 :619' (ZOOO re;oqueddoy,, '9VE:9IE'(IAAD re;oqueddo) :g9I '(gSOf ) 'e'n ue8eyg u, 'lLT,'G002)e1e31so4 u 6L'G000 zueg 'Z-'qqv 8 .I.qqv LL,G11}zve} L '(SOOZ) zuagi1gl'(eOOZ) zue1 s -lso q Jnelneuo( ueJelun rue Jep essru8nezJe>llruuJe) elulT JelsJe ur er€11\ eqcsrJeqJeg opuelergne eIIA €lor; qe stroroq olp rU raJnglro1 eqcqSgru sle neru-e.{ e81o;nzueq 'uefios ures ]tsuelets uerlo]euv qceu 'Jr{J ^ spuesneuLlet'ZSep a}uqezrTqefuelzlepep uerrr4\ uep ur erp'uepre^\ lqJerqe8 Sunp -ulqJo1 ur ueluerueles8unre{lgleg ueqcsredoJnelsopns-qcsDleJq} uol Uun{uenoN Jop ]Iu fieuorllpeJl uoJed\ ueqor8 ue8rgesrepu€ os eserp Uep os 'Sunlpersuv rep uelqcrqJs ueJelle uep ut JeJnelJoA oure>l ueuua>l ,,eJeA\ uerJeqJeg" Jep qJne sl€ ,,{rruuJe>l1e>1cng" uo^ F{o./y\os uesreA\s8unrerz.rel pun uetuJoc qcne sle >iluqcelsSunllelsJeH IqoAAos zr',,a te lrI\uoqcSIJeqJB g" apua>lJl1r\ plue{ osuoqe reqe 'epuezlesure Jerlnq se^uo rlcrllroz arp sle ue8eure8 qor8 re8rue^\ Jsr uoa eluuerqe8 uernleredrue; ue8uporu roq qc€arlcs Jnu 'eqcrem JaC[ 'uarTod zrenqcs srq le{unp lsreru -nz purs ueqc€lJreqoggJeC arq rr'uleluaquaSoquellg uaSrpuelspuerreqn 'L'z lqr uesseJ pun reqceg e8rl4ueqro^rz pun -uro ora\os egg;e8sgeqcsur N e8rurgy-g reqe qrr1qcesldneq 'eqcsruo4lq I'z 'eue;yo ueJeruruop ueurog ue '18rga;e8pueq euqeusnv euqo lq
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96
Thomas Zimmermann.Zur Renaissance friihbronzezeitlicher Keramiktraditionenbulgarien beheimateten Colsogeni-Kultur sowie benachbarter Steppenkulturen in Frage.13 Die Ahnenreihe der Buckelkeramik wtirde von den ebenfalls westpontischen Kultur des Babadag letztendlich zu den Produkten der spiitbronzezeitlichen mitteleurop5ischen Urnenfelderkultur und ihrer spiiten Derivate wie der Pgenid0vo-Gnlppe reichen.la
Diese immer wieder zitierten Parallelen in Form von spiitbronzezeitlicher Keramik aus
dem Balkangebiet bzw. Si.idosteuropals, die zur Stiitzung der balkanischen
Migrations-these ins Feld geftihrt werden, vermogen jedoch nicht vollends zu iberzeugen: Die ein-schliigige Keramik der Siedlung Kastanas in Mazedonien besitzt zwar Ziermuster, die in iihnlicher Auspriigung auf troianischer Buckelkeramik beobachtet werden konnten.l6 Die
GeftiBformen lassen hingegen keine Vergleichezn.rT Wirklich gute technische und formale
Analogien zur ,,Knobbed Ware" oder Buckelkeramik findet noch vereinzelt in dem
kera-mischen Inventar des bereits zitierten Babada[18, besseres Vergleichsmaterial ftir unsere
Buckelkeramik aus Troia VIIb2 reduziert sich aber strenggenommen auf friiheisenzeit-liche Grabkammern von Dolmenanlagen in Tiirkisch-Thrakienle sowie einzelne weitere Fundpliitze in dieser Region.2o
Weiterhin ist eine balkanische Uberpriigung (Nord)west- und Inneranatoliens in der friihen Eisenzeit kaum zu belegen.2l Lediglich einige grobe handgemachte, ,,balkanisch" anmutende GefiiBscherben aus Gordionzz und evtl. aus Kaman-Kalehoyiik23 im Landes-inneren, die iihnlich wie in Tioia keine Ankntipfungspunkte an dltere Keramiktechno-logien zu besitzen scheinen, m6gen von einem schwachen stidosteuropiiischen EinfluB zeugen.
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Ein Blick nach Zentralanatolien lehrt jedoch, daB beinahe identisch geformte und ver-zierte Knubbentassen in Siedlungsschichten der dortigen spiiten Friihbronzezeit vor-kommen. Ebenso wie ihre eisenzeitlichen Pendants besitzen sie neben charakteristischen, meist auf dem Bauchumbruch platzierten Knubben einen Dekor aus diagonal alternieren-den, am Hals oft doppelt umlaufenden Kannelurengruppen, die beide ats Zierat an frtih-bronzezeitlichen MetallgefiiBen geliiufig sind und auch von dort tibernommen worden sein dtirften.2a Aber nicht nur typische Ziermuster, auch Waren25 und GeflBformen selbst
1 3 Kopp en hdf er (2002), 687 ff ..; 7 O3 ; P hgzek- Sikora (2002), 7 05 t .
la Bereits vermutet von Bouzek (1985), 185ff., der die handgemachten Waren mit den
Keramiktraditio-nen der UrKeramiktraditio-nenfelderzeitinMitteleuropa sowie der Kulturstufe der subappeninischen Facies des
Prii-Protovillanova in Beziehung setzt. Auch stidserbische und westpontische Provinzen der
Spiitbronze-zeit werden in diese Zusammenstellung mit einbezogen (ebd. 187); Koppenhdfer (2002), 703;
Piryzek-Sik or a (2002), 7 05 f . tt Vgl. Hnila/Pieniazek-Sikor a (2002), 97 f. ; Becks (2W3), 49. 16 Hochstiitter (1984), 37 3 tt.; Koppenhdfer (1997), 340. 17 Koppenhofer (1997),340. 18 Koppenhdfer (1997), 337 ff .;339 Abb. 26,'1.-5. 1e Akman (1998), 67tf.;7}Abb.5.
'o Vgl. Ozdolan (1987), 1.4f.;3ltt.mit Abb.; Ozdolan (1993), 160ff., bes. 162.
2r Genz (2000),40.
22 Sams (1992),58f.;Abb. 8,1,;Koppenh6fer (1997),34L; Voigt/Henrickson (2000), 342ff.;bes. 355.
23 Omura (1991), 323;332Abb.8,1.
'o Ygl.beispielsweise Toker/Ozfirk(1992),49 Abb. 23;I88Nr.23 (aus Grab H, mit 6 durchlochten
Kar-neolperlen unterhalb Umbruch, durch Goldniigel gehalten) (Knubben); 50 Nr. 24; L29 Nr. 24 (aus
Altoriental. Forsch. 33 (21
zeigen zumindest be mungen:'So findet si AusguB ebenso im konnten neben dem und Kogumbeli2T, dit Buckeltassen aus Ti Toptagtepe bei Kalu biindelverzierten Ke GefiiBe in die entwic nologie), sprich der I Dieser Betund li8t Waren korrelieren, brachten Analogies, anatolien verstandet wenn auch schlichtt licher Buskslkslami tung nahe, das frhnlir beifiihrten. Die von das bestimmte Tradi gingen", um nach d nungsmacht wie des Erkliirungsmodell e
Zierctlle und Fertig lichen Gemeinschal erfaBt wurden, still v. Chr. wiederinuns Die zu erwartend dem endbronzercil wiB unter tragische
Grab K); ebenso T
(goldener Becber a
2s Ein erheblicher Te
Uberzug, der nebt
schen" Effelcera
Vielzahl von dilnn
ist ftir dieses Jahru
26 Orthmann (1963),: 27 Anpubliziert bei 1
Tassen bzw. Tiillen
nical Universlty in 28 Orthmann (L963),
ten Riefen und Kn mann (L963),45f.
ausstellung der M
adlquatenVer6ffe 2e Vgl. Genz (2005);
' LT,' G00Z) eluSrsod :(SOOZ) zueg'18 6 u, 'Eunqcgtueggren uelenbgpe JeJrIr qcou slleJueqa ueJJeq pun eJB{uV ur ueuoqes}IArz erlJsrloleuv JIIJ srunesnlN Jep Eunllelssne -ren€C rep ur qcrs uepurJeq e>lcnlssqcrelEren eln8 eretrex - (gZ'SZtgI'gg 7l-L':$V 'GgA1) uusru -quo) edelrepullq ueueEele8 reetrN uezffa\rlcs rue sep {ru"ray euerro{ep ueqqnu) pun uaJeel uel -rerq ueqorS 1nu erp qrou Ilentuela qcrs ageq ue8gnzuq -'99-T9lII'gl'!el:'llZt.'(tg11) uueuqtr6r ,. 'lqc{lueJJgrea trlcru Suulsrq Jeqe purs'BJB{uV ur flrsrenrun pcru -qcel lseg e1ppl4 Jep sunesnntr sep Eunlelssneren?C Jep ur qcrs uepurJeq eggyeSuellg'azq uassuJ regerzrelueqqnul pun -ueJerr Iqezuv eregorE eure lueqo gI 'JeI '@gAD uerze;- req Uazlqnduy ,, '99r39'S9/S'SZ'#L!ll VZ' (t96D uuuruqgg n. 'uaqesedro^ rqel seserp J$ lsl lqcrJeqJo1 JelsJe urg 'uelnqrJllv ueserpueqe lnu uerrrJod ueqJsruo{rq 'uaSrpuealuullp uol Iqezler1 eure esrer\slerdsreq uelqceJqJe edeluqey uo^ plaJJequrC pun Sunper5 'elllos ueEnezre
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98
Thomas Zimmermann,Zur Renaissance fri.ihbronzezeitlicher KeramiktraditionenNot vonstatten gingen, lassen sich in ihrem geographischen und sozialen AusmaB bislang
nur erahnen.3o Eine balkanische Zlwanderung nach Tioia soll und kann jedenfalls, um
dies klarzustellen, dadurch nicht ausgeschlossen werden.3l Nach der hier vorgenommen
kritischen Neuinterpretation der sogenannten Buckelkeramik sollte man jedoch ebenso in
Erwiigung ziehen, daB die Neuankommlinge aus Stidosteuropa in der ehemals stolzen
Feste am Hellespont auf entwurzelte Fliichtlingsfamilien aus Inneranatolien trafen.
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31 Jtingst an einschliigiger Keramik aus Tioia VIIb vorgenommene Tonanalysen brachten das
erstaun-liche Ergebnis, daB deren chemischer ,,Fingerabdruck" mit dem balkanischer TonlagerstZitten
tiber-einstimmt. Dies liiBt sich nur damit erkliiren, daB die untersuchten GefiiBe nicht in Troia hergestellt
worden sein konnen, sondern aus Siidosteuropa stammen miissen (siehe Pingzek-Sikora (2002),706
mit Anm. 15), es sei denn, die Tone selbst wdren importiert worden, was jedoch wenig wahrscheinlich ist.
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Thomas Zimmermann,Ztn Renaissance friihSronzezeitlicher KeramiktraditionenBuckeltasse aus Tfoia Schicht VIIb2 (1) und friihbronzezeitliche Tasse mit Karaollan (2). Nach Zimmermann (1) und Alkrm (1968) (2). Ohne
MaB-Abb.1 Friiheisenzeitliche
Buckel- und Riefenzier aus stab.
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zeit-Ill-zeitliche n B e. i . Coockson (Vorlage dcs
Abb.2 Beispiele frtihbronzezeitlicher buckel- und riefenverzierter Keramik aus Ahlathbel (L-4) und
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